Emea-Vertriebschef Oliver Bilal von Invesco: Der Weltenwanderer
Aktiv oder passiv? Das ist eine Frage, welche die Fonds-Branche zunehmend spaltet. Diskutiert wird sie in den Konferenzräumen von Frankfurt bis New York und ausgefochten auf den Handelsparketten und Online-Plattformen. Dabei müssen beide Welten kein Widerspruch sein. „Ich sehe das nicht als Gegensatz, sondern als komplementäre Koexistenz“, sagt Oliver Bilal, Vertriebs-Chef von Invesco in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). „Es sind zwei komplett unterschiedliche Ansätze, die uns ermöglichen, einen passgenauen Blend für Kunden zu kreieren.“
Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 1,5 Billionen US-Dollar ist Invesco einer der größten unabhängigen Vermögensverwalter der Welt. Die Palette reicht von Aktienfonds und Immobilienstrategien über Anleihen-ETFs bis hin zu alternativen Investments.
Das Ende des Mischfonds
Aktiv, passiv, alles dabei. Und nach wie vor werde auch beides gewünscht. „Wir stehen immer häufiger hochprofessionellen Kunden gegenüber“, sagt Bilal....
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Aktiv oder passiv? Das ist eine Frage, welche die Fonds-Branche zunehmend spaltet. Diskutiert wird sie in den Konferenzräumen von Frankfurt bis New York und ausgefochten auf den Handelsparketten und Online-Plattformen. Dabei müssen beide Welten kein Widerspruch sein. „Ich sehe das nicht als Gegensatz, sondern als komplementäre Koexistenz“, sagt Oliver Bilal, Vertriebs-Chef von Invesco in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). „Es sind zwei komplett unterschiedliche Ansätze, die uns ermöglichen, einen passgenauen Blend für Kunden zu kreieren.“
Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 1,5 Billionen US-Dollar ist Invesco einer der größten unabhängigen Vermögensverwalter der Welt. Die Palette reicht von Aktienfonds und Immobilienstrategien über Anleihen-ETFs bis hin zu alternativen Investments.
Das Ende des Mischfonds
Aktiv, passiv, alles dabei. Und nach wie vor werde auch beides gewünscht. „Wir stehen immer häufiger hochprofessionellen Kunden gegenüber“, sagt Bilal. „Die müssen wir von nichts überzeugen. Die haben klare Vorstellungen davon, welche Asset-Klassen sie suchen, ob sie aktiv gemanagte Fonds haben wollen oder ausschließlich ETFs kaufen.“
Aber natürlich schwingt das Pendel langsam, aber allmählich zugunsten der ETFs. Dieser Trend werde sich nicht mehr umkehren, ist Bilal überzeugt. „Wer einfach nur breit gestreut investieren oder einen bestimmten Sektor abdecken möchte, ist mit einem ETF in der Regel besser dran.“
Auch der klassische Mischfonds werde es schwer haben. Dieser sei vor 20 Jahren eine gute Idee für den Retail-Bereich gewesen, attestiert Bilal. „Er wird angesichts der starken Konkurrenz jedoch unter Druck geraten. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass das Diversifikations-Versprechen nicht gehalten wurde. Und dann sind da noch die relativ üppigen Gebührenstrukturen, insbesondere bei Asset Managern, die zu Vertriebsnetzwerken gehören. Diese Lösungen sind nicht mehr kompetitiv.“
Und er fügt mit einer Überzeugung, die sowohl Respekt als auch Neugier weckt, an: „Die Tage des Mischfonds sind gezählt.“
Berlin, Braunschweig, Bankenwelt
Oliver Bilal arbeitet in London und ist im oberen Management eines weltweit tätigen Unternehmens angekommen. Dabei war der Weg in die Finanzbranche nicht vorgezeichnet. Die Mutter war Schauspielerin und Lehrerin, der Onkel Regisseur: Bilal wuchs im künstlerischen Milieu des Berlins Anfang der 70er auf. Es war eine Kindheit zwischen Rauchschwaden und Hinterhof-Theatern, in der sich jeder immer wieder neu erfand.
Seine Großmutter war es, die ihn animierte, eine andere Richtung einzuschlagen: „Oli, wenn du was Richtiges aus dir machen möchtest, dann gehst du entweder als Beamter zur Stadt oder zur Bank"“, sagte sie ihm im jugendlichen Alter. Zu diesem Zeitpunkt lebte er in Braunschweig, und so ist es wenig verwunderlich, dass es ihn zur Bank zog.
Er studierte BWL und absolvierte ein Praxissemester bei der Hypobank, wo er nach einem Jahr die erste große Kunden-Akquisition abschloss. Es folgten Stationen bei der Allianz, bei Pioneer Investments (heute Amundi) in Indien, bei UBS und Natixis. Im Mai 2022 wechselte er zu Invesco nach London.
Mittlerweile stehen 24 Jahre Erfahrung in der Finanzwelt auf der Uhr. Und deshalb ist sich Bilal sicher: Auch wenn die Zukunft – oder bereits die Gegenwart? – den ETFs gehört, ganz ohne aktive Fonds werde es nicht gehen. Man müsse sich jedoch auf deren Stärken besinnen: „Als aktives Haus benötigt man ein rares Asset, zu dem andere keinen Zugang haben. Das können Immobilien-Portfolien sein oder private Kredite.“
Invesco konzentriere sich deshalb etwa stark auf Private Markets, in München sitzt zudem ein mehr als 60 Köpfe großes Immobilien-Team. „Aber auch im Bereich Small und Mid Caps kann man mit sehr gutem Research einen Mehrwert schaffen.“ Man müsse mit einer aktiven Asset Allocation jedoch einen Mehrwert gegenüber einer starren Benchmark-Allokation bieten.
Eine Branche im Umbruch
Bilal wählt deutliche Worte. Und doch decken sie sich mit den Einschätzungen von Unternehmensberatungen. So prognostizierte eine PwC-Studie, dass jeder sechste Asset Manager bis 2027 verschwinden wird. Hauptgründe seien die digitale Transformation, veränderte Anlegererwartungen und Konsolidierung. Gleichzeitig werden die zehn größten Vermögensverwalter etwa die Hälfte der globalen Investmentfonds kontrollieren.
Die Großen werden größer, die Kleinen werden geschluckt, verdrängt oder müssen sich in der Nische behaupten – die Branche hatte fraglos schon bessere Aussichten.
Dabei liegt eine der Lösungen bereits in Griffweite: die Blockchain. „Sie ist eine wegweisende Technologie, deren Dynamik sich weiter beschleunigen wird", schwärmt Bilal. "Sie wird Asset Managern neue und direktere Zugangswege zu Kunden eröffnen, viele Wettbewerbsvorteile bieten und gleichzeitig höhere Anlageerträge für Kunden ermöglichen.“
Während viele Asset Manager noch zaudern, ob sie überhaupt auf ETFs setzen sollten, sieht Bilal diese nur als ersten Schritt in die Vermögensverwaltung der Zukunft. „Meiner Meinung nach wird das Investmentvehikel dank neuer Technologien wie der Blockchain ohnehin irgendwann in den Hintergrund treten. Der ETF war nur der erste Schritt. Der nächste Schritt wird ein Token sein, der alles in Sekunden handelbar macht.“ Dieser Token garantiere Besitzern einen rechtlich verbrieften Anspruch an einem Gut, ganz egal ob es ein Unternehmensanteil, ein Auto oder etwas völlig anderes ist.
In einer Zeit, in der viele Institutionen und Branchen vor disruptiven Technologien zittern, zeigt Bilal, dass es auch anders gehen kann. Er versteht dank seiner Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte die Traditionen und Werte, die diese Branche prägen, und erkennt gleichzeitig die Notwendigkeit, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Für ihn ist das Geschäft, wie es die vergangenen 20 Jahre lief, im Kopf bereits abgehakt.
Bilal ist allerdings kein Träumer, sondern ein Realist, der weiß, dass es noch viele regulatorische, technische und kulturelle Hürden zu überwinden gibt, bevor die Blockchain-Fondsbranche zur Realität wird. Er ist aber auch kein Zauderer, sondern bereit, den Wandel mitzugestalten.
Denn klar ist: Die neue Technologie wird nur funktionieren, wenn alle Großen der Branche an einem Strang ziehen. Doch Bilal ist guter Dinge: „Die ersten Projekte sind gestartet und es bilden sich bereits strategische Allianzen. Der größte Hebel ist sicherlich, wenn Unternehmen wie Invesco, Blackrock oder Vanguard mit Plattformen wie Allfunds oder Clearstream, aber auch mit Online-Brokern wie Scalable Capital oder Trade Republic kooperieren.“
„Der Einsparhebel ist gigantisch“
Das ist jedoch kein Selbstläufer. Viele große Häuser hätten derzeit einen gigantischen Investitionsdruck vor der Brust, um die bestehenden Systeme zu modernisieren. „Es gibt fast keinen großen Asset Manager, der in den vergangenen Jahren nicht über Akquisitionen gewachsen ist. Doch kaum jemand hat vernünftig die Daten migriert, stattdessen sind alle Systeme nebeneinander hergelaufen.“ Nun rächt sich das unbedarfte Vorgehen der sonnigen Jahre. „Jetzt, wo die Margen sinken und Kosten gedrückt werden müssen, stehen diese riesigen Projekte an. Zugleich muss man sich für die Zukunft fit machen. Das ist eine schwierige Situation.“
Doch sobald die Technologie einmal eingeführt sei, würden die Kostenvorteile den Rest der Branche nachziehen. „Es ist unglaublich hart, im Asset Management die Kosten zu senken. Deshalb wird über kurz oder lang an der Blockchain nichts vorbeiführen, ganz egal ob für die Depotbanken oder für die Fondsadministratoren.“ Denn die Blockchain schafft die klassischen Validatoren im Handel ab. Es braucht also niemanden mehr, der ein Asset erst bewertet, bestimmt, verbucht und dann entsprechend alle Intermediäre und Partner informiert. „Damit fällt ein großer Block aus Wertschöpfungskette weg, den man nicht ersetzen muss. Der Einsparhebel ist gigantisch.“
Voller Tatendrang im Metaverse
In Oliver Bilals Leben gibt es viele Gegensätze, die er vereint. Aktives und passives Investieren. Tradition und Umbruch. Die Familie in München und den Job in London. Echte und virtuelle Welt.
Im Januar 2020, kurz bevor Corona die Welt lahmlegte, war Bilal zu Besuch bei einem chinesischen Versicherungsgiganten. Gemeinsam mit einigen Kollegen betrat er einen Showroom, indem ihm vorgeführt wurde, wie Kunden mit Chatbots telefonierten, ohne dass diese wussten, ob sie mit einem echten Menschen oder einer Maschine sprachen. Wo Menschen mit dem Smartphone einmal um das Unfallauto herumgingen und ein Algorithmus in Echtzeit bewertete, ob der Schaden bezahlt wird oder nicht. Und auch hier zeigt sich die Dualität, die sich durch Bilals Leben zieht. Er fand das „unheimlich und wahnsinnig spannend zugleich“.
Als Invesco-Avatar gibt es Bilal nicht. Noch nicht. Er sieht jedoch großes Potenzial in der Technologie, die es Beratern und Vertriebsmitarbeitern wie ihm ermöglicht, jedem Kunden einen maßgeschneiderten, seinen Präferenzen entsprechenden virtuellen Avatar zu erstellen. „Ich glaube man muss einfach jetzt mutig sein und ein paar spannende Projekte probieren.“