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Aktualisiert am 07.10.2021 - 11:10 Uhrin Werte schaffen mit aktivem 360°-AnsatzLesedauer: 6 Minuten
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Unsicherheiten in China Risiken nicht grundsätzlich meiden – aber genau analysieren

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Variable Interest Entity – was ist das und wie riskant sind sie?

Ein weiteres Thema ist die Variable Interest Entity (VIE), die bei chinesischen Unternehmen mit ausländischer Börsennotierung üblich ist und bei der die Investoren formal gar keine Eigentümer sind. Die seit 20 Jahren bestehende Rechtsform ist sowohl in China als auch in den USA ins Visier der Aufsichtsbehörden geraten. Eingeführt wurde sie, um chinesische Restriktionen für Auslandsinvestitionen zu umgehen. Jegliche Konstruktion mit dem Ziel, eine Vorschrift auszuhebeln, mahnt natürlich zur Vorsicht. Da VIEs jetzt besonders in den Blickpunkt geraten, wollen wir das Konzept noch einmal genauer erläutern und darauf eingehen, warum Investoren nicht alle VIEs über einem Kamm scheren sollten.

Eine VIE besteht aus einer juristischen Person in China, an der sich Ausländer nur eingeschränkt beteiligen dürfen. Hinzu kommt eine weitere juristische Person, die im Ausland registriert ist – meist auf den Bermudas, den Kaimaninseln oder in Hongkong. Die ausländische Zweckgesellschaft ist Eigentümer der chinesischen Inlandsgesellschaft. Der Vertrag sieht vor, dass die ausländische Gesellschaft wirtschaftlicher Nutznießer ist, der rechtliche Eigentümer hat jedoch seinen Sitz in China.

Eine solche Konstruktion aus einer Zweckgesellschaft mit einer separaten Eigentümergesellschaft findet sich keineswegs nur bei chinesischen VIEs. Sie ist gängig bei Joint Ventures und wird weltweit in vielen Branchen angewendet, um ausländische Kapitalkontrollen zu umgehen. Beispiele dafür sind Fluggesellschaften und Bergbauunternehmen. Natürlich ist es mit Risiken verbunden, wenn man mit einer geschickten rechtlichen Konstruktion staatliche Regeln aushebelt.

Um diese Risiken zu verringern, wird das ausländische Unternehmen oft in einem Land mit schwachem Schutz für Minderheitsaktionäre angemeldet. Risiken für Minderheitsaktionäre gibt es zwar nicht nur bei VIEs, doch die Kombination aus schwachen Eigentumsrechten (lediglich vertraglich statt mit einem Eigentumstitel abgesichert) und einem Sitz ohne wirksamen Schutz von Minderheitsaktionären lädt zu Missbrauch ein. Beispiele sind unfaire Geschäfte mit verbundenen Unternehmen, aber auch die Veruntreuung der Aktiva des inländischen Unternehmens zum Nachteil der Aktionäre der Offshore-Einheit.

Die ursprüngliche Idee

Ursprünglich sollten mit dem VIE-Konzept Restriktionen für ausländische Eigentümer umgangen werden. Manche Restriktionen wurden inzwischen aber gelockert. Ein Beispiel dafür ist das Stock-Connect-Programm, mit dem Ausländer über A-Aktien in Unternehmen mit einer Börsennotierung in Shanghai und Shenzhen investieren können. Dies geschieht über eine Anbindung an die Hongkonger Börse. Außerdem gelten seit 2020 neue Regeln für ausländische Investoren. Sie sorgen für mehr Transparenz und Deregulierung in manchen Sektoren. Darüber hinaus will China seine Kapitalmärkte weiter öffnen.

Aber auch hier muss man Einzelfall für Einzelfall analysieren. In manchen Sektoren sind ausländische Beteiligungen noch immer reguliert. Vielleicht könnten VIEs in diesen Bereichen verboten werden. Die chinesische Wertpapieraufsicht CSRC hat „Maßnahmen zur Förderung der geordneten Entwicklung ausgewählter Branchen“ in Aussicht gestellt. Damit dürfte sie eine verschärfte Kontrolle sensibler Branchen angedeutet haben. Aber auch hier ist China kein Einzelfall.

Die US-amerikanische Aufsicht sieht US-Börsengänge chinesischer Firmen mittels VIE ebenfalls kritisch. Konkret betrifft das American Depositary Receipts, kurz ADRs. Im Dezember 2020 trat in den USA der Holding Foreign Companies Accountable Act in Kraft. Er verbietet ausländischen Unternehmen eine Börsennotierung in den USA, wenn sie die Vorgaben des Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) drei Jahre in Folge nicht erfüllen und etwa keine umfassenden Prüfungen in China zulassen oder Prüfberichte nicht einreichen. Wir gehen davon aus, dass sich deshalb mehr Unternehmen von den US-Börsen zurückziehen und eine Notierung in Hongkong anstreben. Dies hätte wiederum Auswirkungen auf US-Fonds, die lediglich in ADRs investieren dürfen. Nach Angaben der UBS Group betrug die Marktkapitalisierung von VIEs in den USA am 9. August 2021 über 1,6 Billionen US-Dollar.

Nicht alle VIEs sind gleichermaßen riskant

Für uns ist vor allem wichtig, dass nicht alle VIEs gleichermaßen riskant sind. Auf unserer Sicht gibt es größere Risiken als das VIE-Risiko, zumal die Rechtsform nicht zwingend Corporate-Governance-Mängel und schwachen Aktionärsschutz bedeutet.

Wir betrachten daher jede einzelne VIE separat. Wir untersuchen das bisherige Verhalten der Geschäftsleitung und achten darauf, ob die Barmittel in der VIE oder der börsennotierten Gesellschaft gehalten werden. Außerdem treten wir an die offiziellen Eigentümer heran und sprechen mit ihnen über aufsichtsrechtliche Risiken. Dadurch erkennen wir potenziell risikoreichere VIEs. Bei langfristigen Anlageentscheidungen ist das neben der Bewertung fundamentaler Geschäfts- und ESG-Risiken unsere Pflicht.

Wir wollen die Risiken von chinesischen Anlagen nicht um jeden Preis meiden, da es ähnliche Unsicherheiten überall gibt. Wir wollen sie aber sorgfältig beurteilen und abschätzen, wie relevant sie sind. Viele Risiken sind keineswegs chinaspezifisch, sondern finden sich auch in anderen Ländern. Wir glauben, dass man sie mit umfassenden Analysen identifizieren und quantifizieren kann. Dann lassen sich risikooptimierte Portfolios mit der Aussicht auf langfristigen Mehrwert konstruieren.

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Hinweis: Diese News ist eine Mitteilung des Unternehmens und wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.