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in GeldpolitikLesedauer: 6 Minuten

Bergos-Investmentchef Turbulenzen im Bankensektor bieten auch Chancen

Silicon Valley Bank (SVB) in Santa Clara, USA
Silicon Valley Bank (SVB) in Santa Clara, USA: Trotz des Kollaps der SVB und Signature Bank sowie der Notfallrettung der Credit Suisse konnte ein Bank Run verhindert werden, sagt Till Christian Budelmann, Investmentchef der Schweizer Privatbank Bergos. | Foto: Imago Images / UPI Photo

Die Hoffnung auf mehr Stabilität war trügerisch, die Finanzmärkte bleiben im Krisenmodus. An die Covid-19-Krise schlossen sich nahezu nahtlos die Rückkehr der Inflation, der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise an. Ab dem vierten Quartal 2022 ließ sich dann eine gewisse Stabilisierung verspüren. Die Energiekrise entpuppte sich als weniger schlimm als befürchtet, Inflationsraten waren wieder rückläufig, wenn auch nicht so stark wie erhofft, und die Wirtschaftsdaten in den USA und Europa waren etwas besser als gedacht. Wir erwarten für die entwickelte Welt im Laufe der nächsten sechs bis neun Monate eine anhaltende Wachstumsschwäche und ab dem ersten Quartal 2024 dann wieder eine Aufwärtstendenz.

Bank Run abgewendet

Nach dem guten Jahresstart für Risiko-Assets herrscht mittlerweile offensichtlich wieder Unruhe. Der Kollaps der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in den USA und die am Wochenende erforderlich gewordene Notfallrettung der angeschlagenen Schweizer Großbank Credit Suisse durch die deutlich größere und stabilere UBS haben für kräftige Ausschläge an den Kapitalmärkten gesorgt. Dank der schnellen Maßnahmen in den USA durch die Notenbank (Fed) und Regierungsstellen konnte ein Bank Run vorerst abgewendet werden. Und die von staatlicher Seite und Zentralbank begleitete Schweizer Lösung war natürlich ein Paukenschlag am Sonntagabend. Die weiteren Entwicklungen sind noch schwer abzuschätzen, eine massive globale Eskalation der aktuellen Bankenkrise erwarten wir jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

 

Das Dilemma der Fed

Eindrucksvoll wirkten sich die beginnenden Turbulenzen direkt auf die Zinserwartungen aus. Noch am 8. März gingen die Märkte davon aus, dass nach dem Fed-Meeting im Juli der US-Leitzins bei 5,66 Prozent liegen würde. Am 13. März, also nur drei Werktage später, lagen die Erwartungen für Juli zwischenzeitlich nur noch bei 4,1 Prozent – und damit rund 50 Basispunkte unter dem aktuellen Satz. Das zeigt, dass ein solcher exogener Schock nicht nur für erhöhte Volatilität an den Märkten sorgt, sondern auch etwas Druck vom Zins-Kessel nimmt. Die Fed muss sich nun vermutlich eingestehen, dass es nicht nur um Inflationsbekämpfung, sondern auch um systemische Fragen geht.

Für eine mögliche Entspannung an der Zinsfront sorgt zudem die aktuelle US-Inflationsrate. Der Verbraucherpreisindex ist im Februar gegenüber dem Vorjahr gemäß den Erwartungen um 6,0 Prozent gestiegen – ein tieferer Wert als im Januar (6,4 Prozent) und der niedrigste Zuwachs seit September 2021. Die Kerninflationsrate ist auf 5,5 Prozent gefallen. Das ist zwar noch ein hoher Wert, aber immerhin der niedrigste seit Dezember 2021. Und auch die Produzentenpreise waren zuletzt im Jahresvergleich weniger stark gestiegen als befürchtet.

Dadurch besteht durchaus die Chance, dass der Markt nach einer gewissen Zeit positiv begrüßt, dass die Fed nun systemische Risiken wieder stärker einkalkuliert und die Inflationsbekämpfung etwas weniger in den Fokus stellt. Langfristig könnte diese Freude allerdings auch nach hinten losgehen. Denn wichtig ist es, die Inflation in den Griff zu bekommen. Geht die Fed jetzt tatsächlich von der Bremse und erhöht die Zinsen nicht weiter, könnte sich die hohe Inflation über Lohn-Preis-Spiralen festsetzen.

Zinserhöhungszyklus am Ende

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Die Bergos-Prognosen gehen davon aus, dass die US-Notenbank diese Woche die Fed Funds Rate entweder unverändert lässt oder um maximal weitere 25 Basispunkte erhöht. Das könnte dann der letzte Schritt in diesem Zinserhöhungszyklus gewesen sein. Die Fed dürfte spätestens dann von weiteren Zinserhöhungen absehen und die Datenentwicklung beobachten.

Die Europäische Zentralbank hat in der vergangenen Woche – den Turbulenzen im Bankensektor zum Trotz – wie angekündigt den Leitzins um 50 Basispunkte auf 3,5 Prozent erhöht. Der für die Finanzmärkte wichtige Einlagensatz wurde ebenfalls um einen halben Prozentpunkt auf 3,0 Prozent angehoben. Bislang hatten wir hier mit einem Höhepunkt von 3,5 Prozent im Sommer gerechnet. Dieser Wert erscheint im Lichte der aktuellen Ereignisse aber nicht mehr erreicht werden zu können.

 

Hochwertige Wachstumsaktien und breite Streuung

Was bedeuten diese Entwicklungen für die Anlagemärkte? Wie schon 2022 wird auch 2023 ein selektives Vorgehen extrem wichtig sein. Es gilt, aktiv Schwerpunkte zu setzen.

Derzeit deutet der Abstand zwischen Aktiengewinnrendite und Anleiherendite noch nicht daraufhin, dass Aktien attraktiver sind als Anleihen. Das könnte sich aber ändern, wenn die Bond-Renditen weiter fallen. Wir bevorzugen weiterhin Qualitätsaktien aus dem Wachstumsbereich. Wenn der Zinserhöhungszyklus jetzt wirklich zu Ende sein sollte, käme das vor allem Wachstumstiteln zugute, deren zukünftige Gewinne dann mit einer niedrigeren Rate diskontiert würden. Aus regionaler Sicht sehen wir auch deshalb das größte Potenzial weiterhin in den USA – ergänzt um Japan, das seinen geldpolitischen Sonderweg fortzuführen scheint. Europa gewichten wir neutral, gegenüber Schwellenländeraktien bleiben wir vorsichtig.

Die Gold-Allokation bleibt weiterhin mindestens auf Höhe der strategischen Quote. Sie bewährt sich auch im aktuellen Stress als ein wichtiger Baustein in einem breitangelegten Portfolio.

Und Anleihen sind seit Ende des letzten Jahres wieder von gestiegener Bedeutung in den Multi-Asset-Mandaten des Hauses. Während Aktien und Anleihen 2022 noch im Gleichklang gefallen sind, agieren Bonds jetzt wieder als Gegenpol und diversifizieren das Portfolio, wie zuletzt zu beobachten war. An schlechten Aktientagen hat der Global Aggregate Bond Index zugelegt.

Wir halten es trotz der aktuellen Wirren weiterhin für durchaus wahrscheinlich, dass in diesem Jahr sowohl Bonds als auch Aktien am Ende nach großen Schwankungen positive Beiträge für ein Gesamt-Portfolio liefern können.

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