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Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag: Höhere Zinsen
Neue Zeiten am Rentenmarkt: Im vergangenen Jahr haben sich auch für Lebensversicherer die Rahmenbedingen deutlich verändert. Mehrere Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf mittlerweile 3 Prozent haben dazu beigetragen, dass die Zinsen am Kapitalmarkt deutlich gestiegen sind. Weitere Zinsschritte hat die Notenbank bereits angekündigt. Hiermit reagiert sie auf die äußerst hohe Inflation, die auf Jahressicht 7,9 Prozent beträgt.
„Die aktuelle Deklarationsrunde der Lebensversicherer steht damit erstmals seit langer Zeit wieder im Zeichen steigender Marktzinsen“, sagt Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. „Allerdings spiegeln sich diese in den Überschussbeteiligungen erst allmählich wider.“ Die von ihm geführte Rating-Agentur hat in ihrer diesjährigen Untersuchung zu Überschussbeteiligungen und Garantien insgesamt 43 Lebensversicherer untersucht, die 70 Prozent der Prämien am deutschen Markt einnehmen.
Die laufende Verzinsung in der privaten Rentenversicherung haben jetzt 13 der untersuchten Anbieter gegenüber 2022 angehoben – abgesenkt hat sie hingegen keiner. Sie beträgt für einen Referenztarif mit einem Garantiezins von 1,25 Prozent im Durchschnitt nun 2,14 Prozent, nach 2,01 Prozent im Vorjahr. Die 13 Anbieter, die auch im Neugeschäft weiterhin klassische Rentenversicherungen anbieten, gewähren eine etwas höhere laufende Verzinsung von durchschnittlich 2,26 Prozent.
Laufende Verzinsung steigt gegenüber 2021 an
Für alle klassischen Produktarten und Tarifgenerationen ist die laufende Verzinsung 2023 auf 2,62 Prozent (Vorjahr: 2,55) gestiegen. „Marktweit steigt damit die Überschussbeteiligung gegenüber dem Vorjahr an. Dies hat historischen Charakter, erfolgte dies doch letztmals vor 15 Jahren“, erklärt Will. Dabei weisen größere Unternehmen tendenziell ein etwas höheres Niveau auf, was sich im gewichteten Durchschnitt von 2,76 Prozent (Vorjahr: 2,69 Prozent) zeigt.
„Dass sich der abrupte Zinsanstieg am Kapitalmarkt nicht eins zu eins bei den Überschussbeteiligungen niederschlägt, ist den Eigenschaften des Geschäftsmodells geschuldet“, so Will weiter. „Einerseits dauert es viele Jahre, bis der höhere Marktzins in der Kapitalanlage von Lebensversicherern ankommt, andererseits sind durch die Zinswende stille Lasten in den Bilanzen entstanden.“ Daher seien viele Lebensversicherer noch zurückhaltend, obwohl sich die langfristige Perspektive verbessert habe.
Die deklarierte Gesamtverzinsung entwickelt sich ähnlich wie die laufende Verzinsung: Für den Mustervertrag einer privaten Rentenversicherung ist sie im Branchenschnitt um 0,11 Prozentpunkte auf 2,81 Prozent gestiegen. „Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren kommt bei den meisten Anbietern zum Vertragsende allerdings keine weitere Beteiligung an den Bewertungsreserven mehr hinzu“, ergänzt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.
„Hier wirken sich die stillen Lasten der Zinsanlagen in den Büchern der Lebensversicherer unmittelbar aus, wodurch häufig keine zu verteilenden Bewertungsreserven mehr vorhanden sind“, erklärt der Branchenexperte bei Kölner Rating-Agentur die Hintergründe. Neben Produkten zur privaten Altersvorsorge aus den Bereichen Klassik, Neue Klassik und Indexpolicen kamen in diesem Jahr erstmals auch Fondspolicen auf den Prüfstand.
Hallo, Herr Kaiser!
Abschied von 100-prozentiger Beitragsgarantie
Tarife der Neuen Klassik basieren wie klassische Lebensversicherungen auf Überschüssen sowie dem Ausgleich im Kollektiv und der Zeit. Ein großer Unterschied besteht jedoch bei der Garantien, die hier niedriger ausfallen und in der Regel endfällig gestaltet sind. So garantieren nur wenige der untersuchten Tarife den vollständigen Erhalt der eingezahlten Beiträge. Statt der 100-prozentigen Bruttobeitragsgarantie sehen die Tarife zumeist einen Wert von 90 Prozent vor.
Neue Klassik bei der Verzinsung leicht im Vorteil
Aktuell liegt die laufende Verzinsung der betrachteten Neugeschäftstarife dieser Produktkategorie bei durchschnittlich 2,19 Prozent (Vorjahr: 2,05). Das sind gerade einmal noch 0,05 Prozentpunkte mehr als bei den Klassik-Policen. Im unternehmensindividuellen Vergleich zwischen den Anbietern, die Deklarationssätze für beide Produktsegmente angeben, ist der Vorteil der Neuen Klassik mit 2,31 Prozent (Klassik: 2,21) allerdings doppelt so groß.
Auch bei der illustrierten Beitragsrendite ist die Neue Klassik im Vorteil, lautet das Fazit der Assekurata-Analysten. Jedoch seien die Tarife hinsichtlich der Überschussverwendung uneinheitlich gestaltet und daher nicht vollständig vergleichbar, schränkt Heermann ein. „Auch bei neuen klassischen Rentenversicherungen können die Überschüsse nicht so schnell wie der Marktzins steigen, da die Sparprozesse hier ebenfalls langfristig ausgerichtet sind.“
Größerer Zinsanstieg bei Einmalbeitrags-Policen
Deutlich unmittelbarer reagieren die Lebensversicherer hingegen im kürzer laufenden Einmalbeitragsgeschäft. Hier hat Assekurata im Rahmen seiner Studie festgestellt, dass die Überschussbeteiligungen insbesondere in den ersten Vertragsjahren gegenüber dem Vorjahr spürbar angezogen haben. „Der Zinsanstieg wirkt sich bei Einmalbeitrags-Policen somit stärker aus als bei Versicherungen gegen laufenden Beitrag“, beobachtet Heermann.
„Offenbar verfolgen die Lebensversicherer das Ziel, im Zinswettbewerb gegenüber Banken weiterhin bestehen zu können“, so der Assekurata-Chefanalyst weiter. Außerdem passe dieses Vorgehen zur derzeit inversen Zinsstrukturkurve am Kapitalmarkt: Anleihen mit kurzen Laufzeiten rentieren bisweilen höher als Langfristanlagen. Das zeigt, dass viele Anleihen-Investoren kurzfristig wenig Vertrauen in die Wirtschaft haben und gilt als Indikator für eine nahende Rezession.