Bergos-Berenberg-Experte „Aktien sind derzeit nicht teuer“
Wenig Bedeutung messen wir hingegen dem Shiller-P/E zu, auch CAPE (Cyclically adjusted Price Earnings-Ratio) genannt. Der Charme des Shiller-P/E besteht darin, dass die Bewertungsanalyse bereinigt um zyklische Einflussfaktoren erfolgt. Doch es gibt einen Nachteil gegenüber dem von Bergos Berenberg angewendeten Forward-P/E-Ansatz: Herangezogen werden nur die Gewinne der vergangenen zehn Jahre. Am Maßstab des Shiller-P/E gemessen, scheint der Aktienmarkt massiv überteuert – und das schon seit langem, nämlich über die gesamten vergangenen zehn Jahre hinweg. Wir werden bald jedoch in eine Phase kommen, in der das Shiller-P/E womöglich ganz anders aussehen wird, weil das Finanzkrisenjahr 2009 aus der Wertung fällt. Wenn demnächst die Jahre 2019 und 2020 in die Analyse miteinbezogen werden, sollte das Shiller-P/E fallen – mit dem Ergebnis, dass diejenigen, die sich nach dem Shiller-P/E gerichtet und damit den gesamten Aufwärtsmarkt verpasst haben, laut Shiller dann aber vielleicht plötzlich vor einem vermeintlichen Kaufsignal stehen.
USA und Eurozone sektorneutral ähnlich bewertet
In den USA haben sich die Unternehmensgewinne in den vergangenen zehn Jahren gut entwickelt, insbesondere im Vergleich zur Eurozone. Zwischen den beiden Währungsräumen gibt es eben starke sektorale Unterschiede. Die High-Growth-, High-Margin-Unternehmen der USA sind aufgrund ihrer Gewinndynamik und ihrer hohen Innovationskraft High-P/E-Unternehmen mit Storys, die es im Euroraum so gar nicht gibt. Deshalb erscheint das KGV in der Eurozone nur optisch deutlich niedriger als in den USA. Die sektorale Zusammensetzung von USA und Eurozone ist jedoch vollkommen unterschiedlich, deshalb sollte die Bewertung von Euro-Aktien gegenüber US-Titeln stets sektorneutral erfolgen. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass beide Märkte gegeneinander derzeit ungefähr fair bewertet sind.
Wie geht es nun weiter? Entwickeln sich die US-Gewinne auch zukünftig besser als die Eurozonen-Gewinne? Wir denken ja. Erstens erwarten wir weiterhin höhere Umsätze in den USA. Zweitens sollten die Gewinnmargen in den USA auf einem höheren Niveau bleiben, auch wenn sich hier zuletzt ein leichter Aufholprozess in der Eurozone anzudeuten scheint. Drittens gibt es in den USA weiterhin eine ausgeprägtere Neigung der Unternehmen zu Aktienrückkäufen. Diese starken Buybacks unterstützen die Earnings per Share (EPS) – Gewinne pro Aktie und mindern so das P/E.
Wichtig ist in Bezug auf die Unternehmensgewinne auch das Währungsthema. Angesichts des starken US-Dollar genießen die Exporteure der Eurozone seit längerem Vorteile. Die US-Pendants hingegen haben permanenten Gegenwind wegen des starken US-Dollars – und machen dennoch seit Jahren gute Gewinne. Sollte dieser Trend des starken US-Dollars drehen, bekommen die USA nach Jahren des Gegenwinds vielleicht auch einmal ein bisschen Rückenwind von der Währungsseite.
Wie die globale Sektorbewertung derzeit ausfällt
Im Hinblick auf die globale Sektorbewertung sind derzeit vier Sektoren besonders auffällig. Die am stärksten unterbewerteten sind dabei die zyklischen Energie- und Finanztitel. Die Unternehmen haben ihre Gewinne ordentlich gesteigert, das ist vom Markt aber bisher nicht belohnt worden. Die hoch gewichteten Finanztitel haben derzeit ein globales P/E von gut 10, Energie liegt bei gut 12 – jeweils deutlich unter den historischen Vergleichswerten.
Ein Segment erscheint weiterhin als überbewertet: Der IT-Sektor. Die Kurse sind hier zuletzt schneller gelaufen als die Gewinne. Insgesamt liegt daher das globale P/E des IT-Sektors spürbar über den langfristigen Durchschnittswerten. Ebenfalls über dem historischen Schnitt bewegt sich der Sektor Kommunikation, nicht zuletzt aber deshalb, weil bestimmte (ehemalige) IT-Unternehmen seit kurzem diesem Sektor zugeordnet werden.
Positiver Ausblick für US-Aktien
Für die Zukunft erwarten wir bei Bergos Berenberg ein weiterhin stabiles US-Wachstum und sehen keine Rezession im laufenden oder kommenden Kalenderjahr. Die Zinssenkungen („Insurance Cuts“) der US-Notenbank sollten die konjunkturelle Entwicklung in den USA stützen.
Natürlich kann man nie ausschließen, dass US-Aktien zwar günstig erscheinen, die Lage aber tatsächlich viel negativer ist, als es die aktuellen Fundamentaldaten suggerieren. Wir bleiben aber weiterhin positiv für US-Aktien, der politische Lärm sollte ab einem bestimmten Punkt wieder abklingen. Am Ende sollte zumindest eine vorübergehende Lösung im komplizierten Handelskonflikt USA-China stehen. Der US-Markt hält sich auch deshalb so gut, weil die Bewertungen günstig und die Marktteilnehmer in Aktien nicht überpositioniert sind – anders als zu Beginn des Jahres 2018. Die Anleger sind nicht euphorisch, ganz im Gegenteil.
Wir sind den gesamten US-Bullenmarkt hindurch bullish eingestellt geblieben. Nicht, weil wir stets alles mit optimistischem Blick sehen, sondern weil wir auf der Grundlage eindeutiger Indikatoren daran geglaubt haben und dies nach wie vor tun. Die Kunst wird es sein, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, um dezidiert skeptisch zu werden. Jetzt ist dieser Moment aber noch nicht gekommen, obwohl wir bei Bergos Berenberg den Handelskonflikt weiterhin ernst nehmen.