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Gedankenspiel Was passieren müsste, damit die Zinsen steigen

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All diese Gründe mögen weit hergeholt erscheinen. Es gibt aber einen, der unmittelbar sehr naheliegt. Mit dem Wech­sel von Mario Draghi zu Christine Lagarde an der Spitze der EZB bleibt zwar die expansive Grundausrichtung der Geldpolitik sicher bestehen. Alles andere stünde auch nicht im Einklang mit der gesamtwirtschaftlichen Lage. Ich vermute aber, dass sich bei der Durchführung Änderungen ergeben. Draghi hatte die ganze Last der Stabilisierungspolitik auf die eigene Schulter genommen. Er wollte die Welt – zumindest Europa – retten. Umso stärker musste die Dosierung der geldpolitischen Lockerung ausfallen. Die Zinsen mussten niedriger sein, als sie es sonst gewesen wären.

Ich vermute, bei Lagarde wird das anders. Sie hat eine größere Affinität zur Fiskalpolitik. Sie wird darauf drängen, dass die Finanzminister eine stärkere Rolle bei der Stabilisierung übernehmen und die Geldpolitik sich eher zurücknimmt. Die Zinsen könnten – glauben Sie es oder nicht – steigen (!) oder jedenfalls nicht so stark weiter sinken. Das werden keine dramatischen Veränderungen sein, die einen neuen Zinszyklus einleiten. Der Einlagensatz der EZB kann auch in einem Jahr noch negativ sein. Die Richtung ändert sich aber, und das ist für die Erwartungen wichtig.

Das wäre ein Ritt über den Bodensee. Es würde die Akzep­tanz von Frau Lagarde in der Öffentlichkeit erhöhen. Der Zusammenhalt im Governing Council der EZB könnte wie­der stärker werden. Auf den Devisenmärkten würde sich der Euro stärken (was weiteren Spielraum für Zinserhöhungen gäbe). Negativ ist, dass die Finanzpolitik höhere Schulden machen muss. Da muss man aufpassen, dass man nicht über die Stränge schlägt. Wichtig ist vor allem, dass Italien richtig eingebunden wird.

Für den Anleger

Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Zinsen negativ bleiben. Eine Zinserhöhung durch die EZB in den nächsten Monaten auf wieder minus 0,4 Prozent ist zwar unwahrscheinlich. Sie käme einem Paukenschlag gleich. Aber wenn man sie richtig begründet und ausgestaltet, könnte sie ein Befreiungsschlag sein. Ich schließe das nicht aus.

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