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in GeldpolitikLesedauer: 6 Minuten

Ökonom Jörg Angelé Darum sinkt die Inflation in den USA schneller als in Europa

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Ein weiterer Grund für die abweichende Entwicklung der Kerninflationsrate in den Vereinigten Staaten und in der Eurozone sind die Unterschiede bei der Lohnentwicklung. Während das Lohnwachstum im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bereits ab dem Frühjahr 2021 in Schwung kam, dauerte dies in der Eurozone bis Anfang 2022. Darüber hinaus fiel der Zuwachs bei den Löhnen jenseits des Atlantiks bis dato dynamischer aus als diesseits des Atlantiks. Im weiteren Jahresverlauf dürften sich die Zuwachsraten jedoch annähern (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Das Lohnwachstum ist in den USA dynamischer

Abbildung 3: Das Lohnwachstum ist in den USA dynamischer
Quellen: EZB, BLS, Bantleon

Nachdem die kräftigen Preissteigerungen in den USA früher begannen als hierzulande, fallen sie auch früher wieder aus der Berechnung der Teuerungsrate heraus (Basiseffekte). Zudem lässt der unterliegende Preisdruck in den USA angesichts der sich lösenden Spannungen bei den Lieferketten sowie des auslaufenden Nachfragebooms und des sich abschwächenden Lohnwachstums nach. Die Vorjahresrate des Kernindex ist daher bereits gesunken: von 6,6 Prozent im September auf 5,7 Prozent im Dezember. In der Eurozone wird die Kerninflationsrate dagegen noch einige Monate bei beziehungsweise oberhalb von 5,0 Prozent verharren. Erst in der zweiten Jahreshälfte ist mit einem nachhaltigen Rückgang zu rechnen. Ende des Jahres erwarten wir Werte nahe 3,0 Prozent, während sich in den USA ein Rückgang in Richtung 2,0 Prozent abzeichnet.

Der zweite Faktor, der neben dem Vorlauf der Kernteuerung eine entscheidende Rolle beim schnelleren Inflationsrückgang in den USA spielt, sind die Energiepreise. Die sind 2022 zwar dies- und jenseits des Atlantiks annähernd gleich stark gestiegen, allerdings hat der Preisauftrieb in den USA gemessen an der Vorjahresveränderung vor dem Hintergrund stark rückläufiger Kraftstoffpreise bereits erheblich nachgelassen, was die Gesamtinflation dämpft (siehe Abbildung 4). In der Eurozone steht der größte Teil des Rückgangs bei den Energiepreisen dagegen noch bevor. Ursächlich hierfür sind die Gas- und Strompreise, die im vergangenen Jahr erheblich stärker zugelegt hatten als in den Vereinigten Staaten, wo demgegenüber der Anstieg der Kraftstoffpreise ausgeprägter war.

Abbildung 4: Die Fallhöhe der Energiepreise ist in der Eurozone höher

Abbildung 4: Die Fallhöhe der Energiepreise ist in der Eurozone höher
Quellen: Eurostat, BLS, Bantleon

Infolge zahlreicher staatlicher Maßnahmen – Stichworte Strompreisbremse und Gaspreisdeckel – sowie der seit August um rund 80 Prozent gesunkenen Großhandelspreise werden sich in der Währungsunion aber schon bald spürbare inflationsdämpfende Effekte bei den Strom- und Gaspreisen entfalten. Gegen Jahresende sollten die Energiepreise in der Währungsunion dann signifikant niedriger sein als vor Jahresfrist, die Vorjahresrate mithin deutlich negativ ausfallen. Für die USA erwarten wir dagegen eine Vorjahresrate nahe 0,0 Prozent (siehe Abbildung 4). Deshalb dürfte die Gesamtinflationsrate im vierten Quartal sowohl in den USA als auch in der Eurozone nahezu gleichauf liegen – trotz der hierzulande höheren Kerninflationsrate.

Abbildung 5: Inflation in den USA und in der Eurozone Ende 2023 fast gleichauf

Abbildung 5: Inflation in den USA und in der Eurozone Ende 2023 fast gleichauf
Quellen: Eurostat, BLS, Bantleon

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Inflation in den USA läuft derjenigen in der Eurozone aktuell etwa ein halbes Jahr voraus. In den kommenden Monaten wird die Teuerungsrate aber auch in der Eurozone massiv zurückgehen. Gegen Jahresende dürfte sie bei rund 2,0 Prozent liegen – und damit ähnlich hoch wie in den USA (siehe Abbildung 5).


Über den Autor: Jörg Angelé arbeitet als Senior-Volkswirt bei der Investmentgesellschaft Bantleon.

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