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Aktualisiert am 19.12.2018 - 10:24 UhrLesedauer: 4 Minuten
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Kristina Hooper, Invesco Warum Anleger nicht auf die Notenbanken setzen sollten

Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist bei Invesco: „Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass die Zentralbanken weiter ein so umfangreiches Sicherheitsnetz spannen.“
Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist bei Invesco: „Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass die Zentralbanken weiter ein so umfangreiches Sicherheitsnetz spannen.“ | Foto: Invesco Asset Management

Die Hinweise auf eine Wachstumsverlangsamung mehren sich. Gemeinhin wird angenommen, dass genug schlechte Wirtschaftsdaten automatisch zu einer expansiveren Geldpolitik führen. Ich dagegen halte die Notenbanken aktuell eher für einen Risikofaktor.

Die Aktienmärkte haben ihren Abwärtstrend in der vergangenen Wochen fortgesetzt. Die meisten der wichtigsten Indizes liegen in der Kalenderjahrbetrachtung aktuell im Minus – einige haben seit Januar sogar zweistellige Verluste verzeichnet. Wie ich in meinem Kommentar in der letzten Woche festgestellt habe, gibt es erste Anzeichen für eine Wachstumsverlangsamung. In diesem Umfeld nehmen die Erwartungen zu, dass die Zentralbanken mit einer Lockerung ihrer Geldpolitik reagieren werden — ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob die Währungshüter auch diesmal wieder zu Hilfe eilen werden. Tatsächlich halte ich die Notenbanken aktuell eher für einen Risikofaktor.

Anzeichen einer Wachstumsverlangsamung

Ein offensichtlicher Hinweis auf einen Abschwung ist natürlich der aktuelle Abwärtstrend an den Aktienmärkten. Gleichzeitig haben die Investoren in US-amerikanische Staatsanleihen (Treasuries) umgeschichtet — ein meiner Ansicht nach präziseres Angstbarometer als der VIX —, so dass die Rendite der zehnjährigen US Treasury Ende letzter Woche nur noch bei 3,045 Prozent lag. Spekulative Anleihen stehen zunehmend unter Druck, was sich im Wertverlust des Bloomberg Barclays CCC Index von über 5 Prozent in den letzten zwei Monaten widerspiegelt. Auch der drastische Verfall des Ölpreises innerhalb von nur zwei Monaten hat Sorgen über einen globalen Abschwung geschürt.

Ob wirklich Unheil bevorsteht, ist unklar. Sicher sagen lässt sich aber, dass viele Investoren besorgt nach Anzeichen einer bevorstehenden Rezession – oder zumindest eines Abschwungs – Ausschau halten. Das schwächere Wirtschaftsumfeld in den USA kam in den letzte Woche veröffentlichten Daten zu den Gebrauchsgüteraufträgen zum Ausdruck, die um 4,4 Prozent gesunken sind.

Natürlich macht ein Datenpunkt noch keinen Abschwung aus, aber wir müssen die Daten genau beobachten, zumal sowohl der GDP Now Indicator der Federal Reserve Bank von Atlanta als auch der Nowcast des New Yorker Fed-Ablegers inzwischen für das vierte Quartal ein deutlich langsameres Wachstum von 2,5 Prozent prognostizieren.

Auch andernorts mehren sich die Hinweise auf eine Wachstumsverlangsamung:

  • Die Wirtschaft der Eurozone hat ganz klar an Schwung verloren. Deutlich wurde das zuletzt im Einkaufsmanagerindex für die Eurozone, der im November auf den tiefsten Stand seit vier Jahren gefallen ist.
  • In einigen asiatischen Ländern gibt es ebenfalls Hinweise auf eine Wachstumsabschwächung. Ein Beispiel ist Südkorea, wo das Beschäftigungswachstum deutlich nachgelassen hat und sich im Januar, wenn der Mindestlohn um 11 Prozent angehoben wird, vermutlich nochmals verschlechtern wird.
  • Der breit gefasste Frühindikator der State Bank of India signalisiert einen leicht rückläufigen Trend. Und in ihrer neuen Wachstumsprognose für Indien rechnet die OECD für 2019 mit einer Verlangsamung des Wachstums auf eine – allerdings immer noch hohe – Rate von 7,5 Prozent.

Parallel dazu hat die US-amerikanische Regierung in der vergangenen Woche einen Bericht zum Klimawandel veröffentlicht, der verheerende Folgen für die Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten prognostiziert. Die italienische Notenbank hat ernsthafte Sorge über die Auswirkungen steigender Anleiherenditen geäußert (obwohl dies auch Positives bewirkt hat, indem es die italienische Regierung dazu veranlasst hat, ihre geplanten Ausgaben für 2019 zu reduzieren). Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron steht durch eine Benzinsteuer, auf die viele Franzosen mit Empörung und massiven Protesten reagiert haben, unter extremem politischem Druck.

Die Zentralbanken könnten trotzdem an ihrem eingeschlagenen Kurs festhalten

In Zeiten quasi allmächtiger Zentralbanken können schlechte Nachrichten auch Gutes bedeuten. Anders ausgedrückt: Gemeinhin wird angenommen, dass genug schlechte Wirtschaftsdaten automatisch zu einer expansiveren Geldpolitik führen. Inzwischen erwarten immer mehr Marktteilnehmer, dass die US-amerikanische Notenbank (Fed) im kommenden Jahr den Fuß vom Gas nehmen wird. Und nicht nur die Fed.

Wie die Financial Times berichtet, sind europäische Wirtschaftsführer in der vergangenen Woche zu einem privaten Treffen mit Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammengekommen, um ihre Sorgen über die Verfassung der Wirtschaft zum Ausdruck zu bringen. Es ist anzunehmen, dass sie sich mit der EZB getroffen haben, da sie sich von ihr eine anhaltend akkommodierende Geldpolitik erhoffen.

Ich glaube allerdings, dass diese in der Vergangenheit durchaus richtige Annahme künftig möglicherweise nicht mehr zutreffen wird. Schließlich mag sein, dass die Gesamtinflationsrate durch den massiven Einbruch des Ölpreises gesunken ist –die Fed orientiert sich aber an der Kerninflation ohne Energie- und Lebensmittelpreise. Ein wichtiger Faktor für die Kerninflation ist das Lohnwachstum. Falls die Löhne weiter so stark steigen sollten wie zuletzt – im US-Arbeitsmarktbericht für Oktober wurde über einen Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne um über 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr berichtet – könnte die Fed keine ausreichende Flexibilität haben, um bei ihren Zinserhöhungen eine Pause einzulegen.

Und obwohl ich davon ausgehe, dass die EZB in den kommenden Monaten an ihrer sehr akkommodierenden Geldpolitik festhalten wird – und das Ende ihrer Anleihenkäufe sogar nochmals verschieben könnte – könnte sich die Haltung der EZB ändern, wenn ihr Präsident Mario Draghi im Oktober 2019 aus dem Amt scheidet. Sollte Draghis Nachfolger eher den geldpolitischen „Falken“ zuzuordnen sein, könnte die Situation schnell anders aussehen.

Mein Fazit: Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass die Zentralbanken weiter ein so umfangreiches Sicherheitsnetz spannen werden, wie sie es in den letzten zehn Jahren getan haben. Tatsächlich dürften die Notenbanken künftig eher einen Risikofaktor darstellen. Dies und die aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen dürften für mehr Volatilität sorgen. In diesem Umfeld dürften die Unternehmensfundamentaldaten zu einem wichtigeren Performancetreiber werden, als sie es in den letzten zehn Jahren waren, als Risikoanlagen von einem komfortablen geldpolitischen Sicherheitsnetz profitierten.

Ungeachtet der zuletzt eher düsteren Marktstimmung rechne ich weiterhin mit einer moderaten Erholung an den Aktienmärkten, so dass diese das Jahr im Vergleich zum aktuellen Niveau zumindest etwas höher schließen dürften.

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