Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) „Video-Ident-Verfahren nicht mit Bulldozer plattmachen“
Mit dem pauschalen und unangekündigten Verbot von Video-Ident-Verfahren bei Krankenkassen hat die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) den Patientinnen und Patienten in Deutschland einen Bärendienst erwiesen. Statt Anbieter mit Verdacht auf Sicherheitslücken anzusprechen und Lösungen zu erarbeiten, wurden alle Dienste pauschal gesperrt.
Wer jetzt digitale Gesundheitsangebote nutzen möchte, für die eine Authentifizierung notwendig ist, muss persönlich in einer Filiale der Krankenkasse oder der Post erscheinen, Damit wird eine unnötige Hürde auf dem Weg zu einer digitalen Gesundheitsversorgung aufgebaut.
Die Onlinefunktion des Personalausweises ist derzeit noch keine praktikable Alternative – noch immer haben zu wenige Bürgerinnen und Bürger die Funktion aktiviert, ihre PIN nicht vorliegen oder wissen nicht, wie die Identifizierung mittels Perso funktioniert. Die ohnehin schleppend verlaufende Einführung der elektronischen Patientenakte wird damit unnötig erschwert.
Höchste Anforderungen an IT-Sicherheit
Patientinnen und Patienten in Deutschland brauchen unkomplizierten Zugang zu digitalen Versorgungsangeboten, der höchsten Sicherheitsanforderungen gerecht wird, zugleich aber nutzungsfreundlich und pragmatisch ist. Die Sofort-Identifizierung per Video ist essentiell, um digitale Dienste schnell, sicher und einfach verfügbar zu machen.
Das Video-Ident-Verfahren ist deshalb auch integraler Bestandteil digitaler Angebote in vielen Branchen – sei es bei der Anmeldung eines Bankkontos, bei Kreditprüfungen, Versicherungsverträgen oder bei Prüfungen für Carsharing-Dienste. Video-Ident-Anbieter ohne Sicherheitslücken müssen daher auch bei den Krankenkassen umgehend wieder für Identifizierungsverfahren zugelassen werden.
Hallo, Herr Kaiser!
Deutschland verfügt europaweit über die höchsten IT-Sicherheitsanforderungen. Es ist daher gut, wenn Sicherheitslücken entdeckt und behoben werden. Wegen einzelner Sicherheitsvorfälle, die sich in der digitalen Welt ebenso wenig ausschließen lassen wie in der analogen Welt, darf man aber nicht wie mit einem Bulldozer das Video-Ident-Verfahren als solches plattmachen.
Digitaler Nachweis der eigenen Identität
Die Debatte zeigt im Übrigen auch: Der digitale Nachweis der eigenen Identität gewinnt weiter an Bedeutung. Schon sechs von zehn Deutschen wollen sich am liebsten digital ausweisen und können sich vorstellen, eine so genannte Digital Identity Wallet auf ihr Smartphone zu laden.
Anderswo ist man schon deutlich weiter. Länder wie Dänemark machen uns vor, wie sich Bürgerinnen und Bürger einfach, sicher und vertrauensvoll gegenüber Behörden, in der Arztpraxis oder bei anderen Stellen digital identifizieren können. Auch in Deutschland und Europa brauchen wir eine einheitliche eID als verlässlichen digitalen Identitätsstandard.
Über den Autor:
Bernhard Rohleder ist Hauptgeschäftsführer des Vereins Bitkom. Der 1999 gegründete Branchenverband vertritt heute mehr als 2.000 Mitgliedsfirmen vom Start-up bis zum Dax-Konzern. Die Unternehmen bieten Software und IT-Services, Telekommunikations- oder Internetdienste, stellen Geräte und Bauteile her, sind im Bereich der digitalen Medien oder der Netzwirtschaft tätig oder in anderer Weise Teil der digitalen Ökonomie. Übergeordnetes Ziel des Verbands ist es, die digitale Transformation der deutschen Wirtschaft und Verwaltung voranzutreiben.