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Sorgen um Immobilien und Inflation
Was droht, wenn die Fed die Zinsen senkt
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Sorgen um Immobilien und Inflation Was droht, wenn die Fed die Zinsen senkt

Wohnhaus-Siedlung in San Francisco
Wohnhaus-Siedlung in San Francisco: Der Immobilienmarkt spielt für die US-Konjunktur eine große Rolle | Foto: Imago Images / Pond5

Der Immobilienmarkt ist in den USA – stärker als in Deutschland – ein wichtiger Pfeiler für den Vermögensaufbau der Mittelschicht und spielt eine große Rolle im Austausch von Waren und Dienstleistungen. Mit einem Anteil von fast 17 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Immobiliensektor ein nicht zu unterschätzender Motor der US-Wirtschaft.

Nun hat der Kampf der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) gegen die Inflation dazu geführt, dass die Hypothekenzinsen zwischenzeitlich auf den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten gestiegen sind. Angetrieben von der aggressiven Zinserhöhungskampagne der Fed ist der durchschnittliche Hypothekenzins für 30-jährige Festzinsen von einem Tiefstand von unter 3 Prozent auf über 7 Prozent gestiegen. Selbst mit dem nun leichten Rückgang auf wieder unter 7 Prozent haben junge amerikanische Häuslebauer keine solchen Kreditkosten mehr erlebt.

 

 

 

So ist es nicht verwunderlich, dass die Aktivität auf dem US-Wohnungsmarkt ins Stocken geraten ist. Die Aufträge für neue und bestehende Häuser sind eingebrochen und haben den zehnjährigen Aufwärtstrend der Immobilienpreise in den USA beendet. Während im Sommer 2022 ein Haus im Median noch 413.000 Dollar kostete, waren es im Februar 2023 nur noch 350.000 Dollar (Quelle: National Association of Realtors).

Angesichts dieses starken Zusammenhangs zwischen den Zinsen und dem für ein Sechstel der Wirtschaftsaktivitäten verantwortlichen Immobiliensektor ist es also nur allzu naheliegend, auch mit dieser Brille auf die in der kommenden Woche anstehende Sitzung der US-Notenbank zu schauen. Die allgemeine Erwartung ist, dass die Fed eine Pause in ihrem Zinserhöhungszyklus einlegen wird, und bis zum Jahresende sehen die Händler am Terminmarkt laut „Fed Watch Tool“ der Terminbörse CME die Wahrscheinlichkeit für mindestens eine Zinssenkung der US-Notenbank bei knapp 40 Prozent.

Diese Erwartung wird genährt von den Fortschritten, die die Fed bislang bei der Senkung der Inflationsrate erzielt hat. Nachdem der US-Verbraucherpreisindex (CPI) im Juni 2022 mit 9,1 Prozent seinen Höchststand erreicht hatte, ist er nun tendenziell rückläufig. Diese Verbesserung und die jüngste Sorge um das US-Bankensystem haben viele Ökonomen und Analysten zu der Vermutung veranlasst, dass die Fed noch in diesem Jahr mit Zinssenkungen beginnen könnte.

Wir glauben allerdings, dass sich die Fed angesichts des übergroßen Einflusses des Immobiliensektors auf die Inflationsmessung in den USA länger als erwartet einer Zinssenkung widersetzen wird.

 Das doppelte Mandat der Fed

Warum das? Denn eigentlich müsste man meinen, dass Zinssenkungen zur Belebung des Immobilien­marktes beitragen und die Bemühungen der Fed unterstützen, für eine "weiche Landung" zu sorgen, sprich: eine Verringerung der Inflation, ohne die Wirtschaft zu beschädigen.

Doch die Logik ist genau andersherum: Noch im April 2022 wechselten in den USA 5,57 Millionen Häuser und Eigentumswohnungen den Eigentümer. Im April 2023 waren es nur noch 4,28 Millionen – ein Rückgang von 23,2 Prozent.

Diese aufgestaute Nachfrage von Hauskäufern, die sich angesichts der hohen Zinsen bisher zurück­gehalten haben, könnte in Verbindung mit sinkenden Zinsen zu einer Art "Panikkäufen" führen. Schließlich haben viele Millennials im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass Zinsen auch steigen können, und könnten nun versucht sein, eine Zinsdelle für einen langfristigen Kredit zu nutzen.

Ein solches Szenario würde die Verkaufspreise für Eigenheime schlagartig in die Höhe treiben. Und obwohl eine höhere Preisgestaltung dem Sektor und verwandten Unternehmen zugute käme, würden solche Gewinne die Bemühungen der Geldpolitik um eine Verringerung der Inflation behindern. Denn der Beitrag des Wohnungswesens zur Messung der Inflation hat in letzter Zeit erheblich zugenommen.

 

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Auf das Wohnen1 entfällt inzwischen ein Drittel des im CPI-Index gemessenen Warenkorbs, so dass sich selbst geringe Steigerungen überproportional auf die Inflation auswirken können. Während es im vergangenen Juni mit 1,7 Prozentpunkten ein Fünftel der Inflation ausmachte, stieg sein Beitrag bis März 2023 auf 2,6 Prozentpunkte. Damit ist der Sektor für die Hälfte der aktuellen CPI-Inflationsrate verantwortlich. Zum Vergleich: Vor der Pandemie trug er in der Regel etwa 1 Prozentpunkt zur Inflation bei.2

Trotz der jüngsten Erfolge bei der Bekämpfung der Inflation – der Preisdruck in der weltgrößten Volkswirtschaft hat sich im April erneut abgeschwächt – liegt sie mit 4,9 Prozent (CPI) immer noch deutlich über dem Ziel der Fed von 2 Prozent. Nicht zuletzt deshalb halten wir Zinssenkungs­erwartungen für verfrüht. Die Fed hat bislang die Bekämpfung der Inflation über die allgemeinen wirtschaftlichen Bedenken gestellt.

Angesichts des beträchtlichen Einflusses des Immobilienmarktes auf den Verbraucherpreisindex glauben wir nicht, dass die Zentralbanker das Risiko eingehen werden, Maßnahmen zu ergreifen, die gerade die Immobilienpreise in die Höhe treiben könnten. Daher glauben wir, dass die Fed unabhängig von fallenden Preisen und Schwäche in anderen Bereichen der Wirtschaft zögern wird, ihren Leitzins zu senken.

 


„Wohnen“: die Miete des Hauptwohnsitzes und die Miete des Eigentümeräquivalents (OER)

 https://www.whitehouse.gov/cea/written-materials/2023/04/27/update-on-housing-inflation-in-cpi/


 

Mike Rode

Über den Autor:

Mike Rode ist CFA, Senior Client Portfolio Manager bei American Century Investments.

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