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Aktualisiert am 27.09.2023 - 12:36 Uhrin WohnimmobilienLesedauer: 6 Minuten

Immobilienexperte Tobias Just im Interview „Die Preise müssen auf ein gesünderes Niveau sinken“

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Hat sich der Immobilienmarkt in Deutschland in den vergangenen Jahren aufgebläht?

Just: Blasen entstehen, wenn Anleger spekulieren. Das war in Deutschland in den letzten Jahren weitgehend nicht der Fall. Es gab hierzulande viele gute Gründe, in Immobilien zu investieren. Das Angebot war niedrig, die Nachfrage hoch, und Anleihen waren wegen ihrer niedrigen Verzinsung keine gute Alternative. Inzwischen gestaltet sich die Lage jedoch anders und institutionelle Anleger interessieren sich wieder vermehrt für Rentenpapiere. Hinzu kommt, dass teilweise ihre Immobilienquoten gestiegen sind, weil die Aktienkurse so heftig unter Druck geraten sind. Es könnte sein, dass sie an satzungsgemäße Höchstgrenzen stoßen. Es könnte in nächster Zeit noch viel Kapital aus dem Immobilien- in den Anleihemarkt fließen. Damit Immobilien wieder interessanter werden, muss sich die Auszahlungsrendite für Immobilien verbessern – auch in Relation zu Anleihen. Dies geht nur durch höhere Mieten oder geringere Einstiegspreise.

Sprechen wir über die Nachfrage am Wohnimmobilienmarkt. Menschen, die sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollten, können sich das jetzt vielleicht nicht mehr leisten und bevorzugen ein Mietobjekt.

Just: Ja, die Nachfrage am Mietmarkt steigt in vielen Regionen, weil die Zuwanderung weiterhin hoch ist. Deshalb werden auch die Mieten in vielen Ballungsräumen voraussichtlich weiter steigen. Die Preise passen aus Investorensicht aber nicht zu den Mieten. In den vergangenen Jahren haben Anleger Objekte oft zum 35-, teilweise zum 40-fachen der Jahresmiete erworben. Derzeit lassen die gestiegenen Zinsen solche hohen Vervielfältiger nicht mehr zu. Damit sich Investments wieder lohnen, müssen die Preise auf ein gesünderes Niveau sinken.

Wie interessant sind Städte noch als Wohnort?

Just: In den vergangenen zehn Jahren sind mehr Menschen aus den Städten fort- als zugezogen – zumindest, wenn man nur auf die Binnenwanderungsströme achtet. Tatsächlich wuchsen Städte, weil die Binnenfortwanderung durch Zuwanderung aus dem Ausland überkompensiert wurde. Dieser Trend hält wahrscheinlich an – obwohl Deutschland nicht mehr so gute Wachstumsperspektiven vorweisen kann wie noch vor einigen Jahren. Wir brauchen mehr Wohnungsbau in den Ballungsräumen.

 

 

Wie zeigt sich die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 am Immobilienmarkt?

Just: Am Handelsimmobilienmarkt sind die Spuren der Flüchtlingskrise deutlich zu sehen. In Deutschland sind die privaten Ausgaben in Supermärkten bis zum Jahr 2015 gesunken, weil Menschen vermehrt in Restaurants essen und in den Urlaub fahren. Die Flüchtlingskrise hat eine Wende gebracht.

Zum Schluss noch eine Frage zu Büroimmobilien: Wie verändert sich dieses Anlagesegment durch den Homeoffice-Trend?

Just: Viele Menschen denken heute intensiv darüber nach, wie sie arbeiten wollen, und Homeoffice ist oft ein Teil der Lösung. Büros bleiben in der Arbeitswelt freilich wichtig. Mitarbeiter können sich dort austauschen, neue Kollegen können eingearbeitet werden, und das Management kann Identität stiften, Kontrolle ausüben und motivieren. Das Büro der Zukunft hat Projektebenen und Schreibtische, an denen Teams arbeiten. Investoren interessieren sich vor diesem Hintergrund eher für innerstädtische Büros als zentrale Anlaufstelle und weniger für periphere Lagen. Die Erreichbarkeit spielt eine immer wichtigere Rolle. Insofern wird die Bewertung von Bürolagen der Bewertung von Einzelhandelslagen ähnlich. Zudem fragen sich Investoren, ob ein Objekt überhaupt einen modernen Umbau zulässt. Ist das nicht der Fall, verliert es an Attraktivität.

Tobias Just hat den Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft am IREBS Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg inne. Er hat Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Hamburg und Uppsala (Schweden) studiert.

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