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Carmignac-Experte Didier Saint-Georges Irgendwann müssen Zentralbanken die weiße Fahne hissen

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Dieser Protest, der bereits in den Vereinigten Staaten zu beobachten war, erstreckt sich nunmehr bis nach Italien und wird wahrscheinlich eine der Konsequenzen der derzeitigen gesellschaftlichen Spannungen in Frankreich sein. An den Anleihemärkten begünstigt sie den Aufwärtsdruck auf die Zinsen der Staatsanleihen. An den Aktienmärkten deutet sie, zumindest in Europa, eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik zugunsten der Arbeitnehmer und nicht zugunsten des Kapitals an. Marktaussichten in diesem Zusammenhang Mit dem Ende der Gewissheit, was den geldpolitischen Kurs angeht, wurde 2018 logischerweise eine Phase mit geringerer Risikobereitschaft eingeläutet. Durch das regelmäßige und umfangreiche Kaufen von Vermögenswerten durch die Zentralbank wurde die Volatilität an den Märkten quasi ausgesetzt. Das hat die Risikobereitschaft gefördert.

Die Rückkehr zur Ungewissheit – oder vielmehr zur Gewissheit, dass nunmehr weniger Liquidität verfügbar ist – führt logischerweise zu einem Wiederanstieg der Risikokosten und damit auch zu einer Verringerung der Bewertungskennzahlen der Aktienmärkte sowie zu einer Weitung der Spreads. Das Jahr 2019 beginnt mit der Fortsetzung dieser Dynamik. Eines der Hauptrisiken für die Aktienmärkte besteht – vielleicht noch mehr für die Vereinigten Staaten als für Europa – darin, dass sich der wirtschaftliche Abschwung auf die Unternehmensgewinne auswirken wird. Das wird durch den Grad der in den letzten zehn Jahren aufgelaufenen Verschuldung verstärkt.

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Auch am Markt für Unternehmensanleihen macht der zyklische Anstieg der Ausfallraten in Verbindung mit dem tendenziellen Anstieg der risikofreien Zinssätze den Bereich „Investment Grade“, dessen Erträge kaum noch einen Ausgleich für das Kreditrisiko bieten, sehr anfällig. Für die anfälligsten Länder könnte die Staatsverschuldung die Herausforderungen, die ein wirtschaftlicher Abschwung mit sich bringt, noch verschärfen. Es besteht daher das Risiko, dass Märkte und Ratingagenturen schlecht bewerten, wie tragfähig das italienische Verschuldungsniveau ist, falls das Land einen starken Abschwung erlebt. Auf der anderen Seite sollte die Zinsverschiebung bei traditionellen Safe-Haven-Staatsanleihen durch bestätigte Spannungen auf die Risikokosten begrenzt werden. Es wird eine Zeit kommen, in der die Zentralbanken die weiße Fahne hissen und auf eine weitere geldpolitische Normalisierung verzichten.

Zu diesem Zeitpunkt wird die Aussicht auf eine Rückkehr zu einer Reflationspolitik Risikoanlagen und sicherlich in erster Linie den nach Liquidität dürstenden Schwellenländern zugute kommen. Es ist plausibel, dass es im Jahr 2019 dazu kommt. Allerdings ist das schwer vorstellbar, ohne dass die Zentralbanken durch eine starke Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen in die Enge getrieben werden. Eine solche Verschärfung könnte durch eine übermäßige Marktkorrektur verursacht werden, die dann durch eine allgemeine Kapitulation attraktive Einstiegspunkte bieten würde. In der Zwischenzeit dürfte sich das Kollisions-Szenario fortsetzen, unterbrochen von Phasen der Entspannung. Daher sind 2019 vor dem Hintergrund einer grundsätzlich vorsichtigen Haltung Wachsamkeit und Opportunismus geboten.

Autor Didier Saint-Georges gehört zum Investment-Kommitee des französischen Fondsanbieters Carmignac.

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