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LFDE-Fondsmanager im Interview Nebenwerte-Comeback: „Die Bewertungen liegen wieder auf vernünftigem Niveau“

LFDE-Fondsmanager José Berros
LFDE-Fondsmanager José Berros: „Fusionen und Übernahmen stehen wieder auf der Tagesordnung.“ | Foto: LFDE

DAS INVESTMENT: Mit Ihren Kollegen managen Sie verschiedene Nebenwerte-Fonds für europäische Aktien. Nach einem turbulenten Jahr geht es für das Segment nun wieder aufwärts. Welche Erwartungen haben Sie an die kommenden Monate?

José Berros: Nachdem wir seit der zweiten Jahreshälfte 2021 aufgrund der sehr hohen Bewertungen am Markt vorsichtig waren, sind wir nun vorsichtig optimistisch. Zum einen weil die Bewertungen unserer Unternehmen wieder auf ein vernünftiges Niveau zurückgekehrt sind. Bei einigen sehen die Bewertungen sogar für langfristige Investoren attraktiv aus. Zweitens stehen auch Fusionen und Übernahmen wieder auf der Tagesordnung, und wir sehen zahlreiche Käufer wie Private-Equity-Fonds oder Industrieunternehmen, die ebenfalls der Meinung sind, dass die Bewertungen einen Tiefpunkt erreicht haben. Für den Echiquier Agenor Europe SRI Mid Cap Europe wurden im April und Mai zwei Übernahmen angekündigt: Dechra und Simcorp, beide mit einem hohen Aufschlag auf den letzten Schlusskurs.

Welche Branchen laufen derzeit besonders gut?

Berros: Wir konzentrieren uns weiterhin auf Sektoren mit langfristigen Wachstumstreibern wie Pharma, Gesundheitswesen sowie Luxusgüter, und wir haben mit der VAT Group in der Schweiz und ASM International in den Niederlanden weitere Beteiligungen im Halbleiterbereich erworben. Auch in der Industrie finden wir einige Nischenmarktführer mit einer starken Führungsposition und einem hohen Marktanteil, die sich langfristig besser entwickeln als der Markt. Hier denke ich an Unternehmen wie IMCD, Halma, Diploma oder Beijer Ref.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Studien belegen, dass Nebenwerte auf lange Sicht oft besser laufen als der Gesamtmarkt. Woran liegt das?

Berros: Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist, dass kleine und mittlere Unternehmen viel schneller wachsen können als große Konzerne. Gewinnt eine Firma mit 100 Millionen Euro Börsenwert große Marktanteile, dringt in neue Märkte ein oder erfindet eine Technologie, kann daraus ein 300- oder 400-Millionen-Euro-Unternehmen werden. Unsere Aufgabe ist es, diese Firmen zu finden.

Haben Sie ein Beispiel?

Berros: Der deutsche Pharma- und Laborzulieferer Sartorius ist so ein Beispiel. Als wir im Jahr 2005 das erste Mal in das Unternehmen investiert haben, lag der Umsatz bei 200 Millionen Euro. Seither hat sich Sartorius völlig verändert, legt den Fokus mittlerweile auf den Biomedizin-Markt, der sehr schnell wächst. Der Umsatz hat nun 2 Milliarden Euro überschritten – ein enormes Wachstum in 15 Jahren. Solche Beispiele gibt es viele.

Was spricht noch für kleine und mittlere Unternehmen?

Berros: Diese Firmen laufen unter dem Radar von Brokern, Börsen und Bankern. Dadurch sind sie viel niedriger bewertet als Großkonzerne, die von Analysten aus der ganzen Welt beobachtet werden. Für Nebenwerte spricht zudem, dass diese Unternehmen viel flexibler sind. Eine kleine oder mittlere Firma kann organisch wachsen, einen Konkurrenten übernehmen, eine Technologie kaufen oder in ein anderes Land expandieren und hat damit viel mehr Möglichkeiten zu wachsen als ein bereits sehr großer Konzern. Erhält eine solche Firma ein Übernahmeangebot, führt das meist ebenfalls zu einem hohen Bewertungsaufschlag.

Dass sich nur wenige Analysten mit diesen Firmen beschäftigen, macht es aber auch schwieriger, an Informationen zu kommen. Wie gehen Sie bei Ihrer Unternehmensanalyse vor?

Berros: Unsere Arbeit ist selbstverständlich schwieriger, aber auch viel interessanter! Wir sind Langzeitinvestoren und verändern unsere Portfolios nicht ständig. Für unsere Analysen nehmen wir uns viel Zeit. Zunächst führen wir ein Screening durch, um herauszufinden, welche Märkte, Branchen und Unternehmen für uns infrage kommen. Unsere Daten beziehen wir aus Markt- und Jahresberichten. Wir sprechen aber auch mit den Unternehmen selbst sowie mit Wettbewerbern und unabhängigen Branchenexperten. Dafür reisen wir viel in Europa herum. Zum Job eines Investors gehört auch, sich mit Menschen zu treffen und nicht nur am Computer zu sitzen.

 

Wie groß ist Ihr Investmentuniversum?

Berros: Mit dem Echiquier Agenor SRI Mid Cap Europe investieren wir in Firmen mit einem Börsenwert zwischen 1,5 und 10 Milliarden Euro. In ganz Europa gibt es etwa 800 Unternehmen dieser Größenordnung. Selbstverständlich kennen wir nicht alle – das ist unmöglich. Auf unserer Watchlist stehen etwa 300 Unternehmen, für die wir eine ESG- sowie Fundamentalanalyse durchführen. Von denen bleiben 150 übrig, die wir sehr genau verfolgen. Beim Echiquier Entrepreneurs gehen wir genauso vor. Die Unternehmen sind kleiner, das Investmentuniversum ist mit etwa 2.000 Unternehmen größer. Bei diesem Fonds stehen etwa 100 Firmen auf unserer Beobachtungsliste.

Gibt es Branchen, die Sie von vornherein ausschließen?

Berros: Mit den genannten Fonds investieren wir in europäische Wachstumsunternehmen. Firmen, die sich in einer Restrukturierung befinden oder notleidende Unternehmen schließen wir aus. Wir investieren zudem nicht in sehr volatile und gesättigte Märkte wie Öl und Gas sowie Rohstoffe im Allgemeinen, Immobilien und Banken. Biotech ist uns ebenfalls zu riskant, Unternehmen aus den Bereichen Pharma und Gesundheit kommen aber durchaus infrage.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Wo sehen Sie aktuell die größten Schwierigkeiten für kleine und mittlere Unternehmen?

Berros: Eine der größten Herausforderungen betrifft nicht die Unternehmen selbst, sondern die Aktienmärkte. In den Jahren 2020 und 2021 waren die Bewertungen viel zu hoch – vor allem bei Nebenwerten in Europa. In unserem Investmentuniversum konnte man schon fast von einer Blase sprechen. Das gleiche Phänomen haben wir in der Tech-Branche in den USA gesehen. Es war damit zu rechnen, dass es nicht ewig so weitergeht.

Im vergangenen Jahr haben Nebenwerte dann besonders stark gelitten, viele Anleger haben ihr Geld abgezogen.

Berros: In jeder Krise haben wir die gleiche Situation: Investoren ziehen sich von den Aktienmärkten zurück und verkaufen, was sie verkaufen können anstatt abzuwarten. Sind die Bewertungen der Unternehmen auf einem Höhepunkt, wird dagegen immer mehr Geld investiert. Dann heißt es: Die Kurse können nur steigen. Dass das nicht stimmt, hat sich 2022 wieder einmal gezeigt. Die Aktienmärkte sind um 20 bis 30 Prozent gefallen – bei europäischen Nebenwerten war der Rückgang sogar noch größer.

Haben Sie die Marktrücksetzer genutzt, um zuzukaufen?

Berros: Für Investoren schafft so ein Markt immer auch Möglichkeiten. In dem schwierigen Marktumfeld mit Ukraine-Krieg, hoher Inflation, steigenden Zinsen und Rezessionssorgen haben wir vor allem in starke Firmen mit defensiven Geschäftsmodellen investiert, die weniger von der Wirtschaftslage abhängig sind.

Ihre Fonds haben seit Jahresbeginn wieder zugelegt. Kommen nun auch die Anleger zurück?

Berros: Wir konnten mit unseren Fonds schon Ende 2022 wieder Zuflüsse verzeichnen. Auch viele große Investoren sind zurückgekommen. Wir sind – wie gesagt – wieder optimistisch. Langfristig orientierte Anleger sollten unserer Meinung nach einem Anlagestil, der sich auf qualitativ hochwertige Unternehmen und Wachstumswerte konzentriert, jetzt den Vorzug geben.

Über den Interviewten:
José Berros ist Fondsmanager für europäische Aktien im Nebenwerte-Team beim Pariser Fondshaus La Financière de l ́Echiquier (LFDE). Mit Stéphanie Bobtcheff managt er die Fonds Echiquier Agenor SRI Mid Cap Europe (ISIN: FR0010321810) und Echiquier Entrepreneurs (FR0011558246). Bevor Berros im Jahr 2005 zu LFDE kam, arbeitete er beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young sowie bei der HSBC Private Bank.

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