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Profiteure der Zinswende Wie Anleger die „Marathonläufer“ unter den Firmen finden

Von in WirtschaftLesedauer: 5 Minuten
Hauptsitz von Oracle im Silicon Valley
Hauptsitz von Oracle im Silicon Valley: Der Software- und Hardware-Hersteller behauptet sich im schwierigen Umfeld, sagt Aktien-Experte Wolfgang Fickus. | Foto: Imago Images / YAY Images

Zu Jahresbeginn haben die Märkte die Zinserhöhungen noch überwiegend als temporäre Begleiterscheinungen gesehen, die zeitnah wieder auslaufen würden. Nach der Pleite der Silicon Valley Bank stieg zudem die Erwartung, dass die Zentralbanken die Zinssätze wieder senken werden. Doch die Hartnäckigkeit der Inflation könnte dazu führen, dass die Zinsen deutlich länger auf einem hohen Niveau bleiben als noch am Jahresanfang erwartet wurde.

Für die Unternehmen sind damit völlig neue Rahmenbedingungen entstanden, die sich möglicherweise so schnell nicht ändern werden. In der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahrzehnte gab es kaum Kapitalkosten, entsprechend mussten sich die Unternehmen keine Gedanken über Finanzierungsbedingungen machen. Vielmehr war es dank der extrem niedrigen Zinssätze für Unternehmen überaus attraktiv, Schulden aufzunehmen, um etwa die Eigenkapitalrendite zu erhöhen. Niedrig verzinste Nettobarmittel in der Bilanz wurden als Belastung angesehen.

 

Die optimale Kapitalstruktur eines Unternehmens schien aus einem Maximum an Schulden und einem Minimum an Eigenkapital sowie Nettoliquidität zu bestehen. Aktionäre drängten die Vorstände ihrer Unternehmen häufig, die Aktienrendite über Aktienrückkäufe oder Sonderdividenden zu erhöhen und die „überschüssigen“ Barmittel in der Bilanz auf diese Weise zu nutzen.

Nun aber trennt sich die Spreu vom Weizen. Unternehmen, die sich bisher vor allem über Fremdkapital finanziert haben, kommen in Bedrängnis. Für viele Firmen stellen die gestiegenen Kapitalkosten ein ernsthaftes Problem dar. Besonders im Bereich der Wachstumsunternehmen konnte man dies schon beobachten. Die Bewertungen von Wachstumsaktien haben überdurchschnittlich unter den überraschend hohen Zinserhöhungen gelitten. Viele dieser Unternehmen, die sich etwa als „Shooting Stars“ noch in der Frühphase ihrer Entwicklung befinden, stürzten einfach ab. Diese Wachstumsunternehmen sind vor allem in innovativen und jungen Branchen wie der Technologie-, Internet- und Biotechnologiebranche weit verbreitet.

Massive Kursverluste bei Wachstumsunternehmen

Zahlreiche Unternehmen mussten durch den sprunghaften Anstieg der Fremdkapitalkosten sowie die plötzlich gestiegene Risikoaversion der Anleger schon 2022 massive Kursverluste hinnehmen. So zum Beispiel Klarna, der schwedische Pionier für Online-Zahlungen nach dem Motto „jetzt kaufen, später zahlen“. Seine Verluste hatten sich im ersten Halbjahr 2022 vervierfacht, und seine Private-Equity-Bewertung fiel von 46 Milliarden US-Dollar im Juni 2021 auf 6,7 Milliarden US-Dollar im Juni 2022. Klarna kündigte daraufhin einen Stellenabbau von zehn Prozent an, um Kosten und Wachstum in den Griff zu bekommen und die Rentabilität zu steigern.

 
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Oder etwa Carvana, US-Markführer im Online-Gebrauchtwagenhandel: Dem Unternehmen ist es gelungen, seinen Umsatz seit 2019 mehr als zu verdreifachen und auf mehr als 14 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 zu steigern – nur um festzustellen, dass sein EBIT, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, im letzten Jahr um mehr als 1,4 Milliarden US-Dollar niedriger ausgefallen ist als 2021. Dieses Ergebnis ließ den Aktienkurs einbrechen, der von 190 Euro auf zeitweise vier Euro gefallen ist und seitdem unter acht Euro verharrt.

Andere Aktien profitieren jedoch vom aktuellen Umfeld. So sind Unternehmen, die über viel Eigenkapital verfügen und sich innenfinanzieren, besonders chancenreich. Es ist eigentlich selbstverständlich und doch muss man es immer wieder betonen: Firmen mit gewinnbringenden und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen sowie soliden Bilanzen verfügen im aktuellen Umfeld über einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil. Natürlich haben auch diese Unternehmen unter einer Bewertungskorrektur gelitten. Jedoch müssen sie ihre Wachstumspläne nicht den steigenden Kapitalkosten opfern wie viele andere Unternehmen.

„Marathonläufer“-Firmen profitieren vom aktuellen Umfeld

Ein solches Unternehmen ist beispielsweise Oracle. Die Aktie weist im Jahresverlauf eine nahezu stabile Entwicklung auf und performt somit erheblich besser als der S&P 500 Information Technology, der knapp 25 Prozent an Wert verloren hat. Oracle ist derzeit sehr erfolgreich darin, sein Geschäftsmodell zu diversifizieren und weitere Dienstleistungen abzudecken. Das Unternehmen bietet immer mehr Anwendungen an, die auf das existierende Enterprise-Resource-Planning-System (ERP), einer Software zur täglichen Ressourcensteuerung in Unternehmen, aufsetzen und die Dienstleistungspalette erweitern. Durch die Verlagerung des Systems in die Cloud setzt sich das Unternehmen in neuen Ausschreibungen zunehmend gegen Wettbewerber wie SAP, AWS oder Microsoft durch.

Vor allem aber ist das Unternehmen hochprofitabel und verfügt über stabile freie Cash-Flows sowie große Cash-Reserven. Damit ist es bestens gewappnet um trotz der gestiegenen Kapitalkosten an den Finanzmärkten weiteres Wachstum finanzieren und seinen Wachstumspfad unbeirrt verfolgen zu können. Und genau das macht im aktuellen Umfeld den entscheidenden Unterschied aus.

Solche etablierten Wachstumsunternehmen, die wir auch „Marathonläufer“ nennen, sind in Zeiten steigender Kapitalkosten für uns eine attraktive Anlagemöglichkeit. Sie profitieren dank ihrer Finanzlage vom heutigen Marktumfeld, insbesondere im Vergleich zu Unternehmen, die für ihren Finanzierungsbedarf auf die Kapitalmärkte angewiesen sind.

Über den Autor:

Wolfgang Fickus ist als Produktspezialist bei der Fondsgesellschaft Comgest im Bereich der Aktienanalyse tätig. Weitere Stationen waren Paribas Asset Management und West LB.

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