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Krypto-Experte Philipp Sandner „Die Langsamen werden untergehen“

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Apropos künstliche Intelligenz. Autonom agierende und vor allem lernende Programme müssten für die Finanzindustrie doch hochspannend sein, oder?

Sandner: Zukünftig sollte künstliche Intelligenz schon wichtige Rolle spielen. Zurzeit würde ich aber ausschließlich großen Akteuren wie Goldman Sachs oder J.P. Morgan zutrauen, solche Technik zielführend nutzen zu können. Startups, die behaupten, künstliche Intelligenz zu nutzen, sind meiner Erfahrung nach grundsätzlich nicht glaubwürdig. Die Technologie hängt etwa Big Data noch wenigstens fünf Jahre hinterher. Diese Themen werden kommen und weitreichenden Einsatz finden, davon bin ich fest überzeugt, aber eben erst in einigen Jahren. Noch ist lediglich ein marginaler Teil des verwalteten Vermögens in der Branche davon betroffen.

Wie verhält es sich mit der Blockchain? Versicherer Axa etwa nimmt ja für sich in Anspruch, immerhin schon eine automatisierte Versicherung für Flugverspätungen so per Blockchain umzusetzen, dass überhaupt keine Mitarbeiter mehr vonnöten sind.

Sandner: Diese eine Police ist in der Tat schon ein wenig weiter, macht aber ebenfalls nur einen winzigen Teil des gesamten Versicherungsmarktes aus. Die Technik steckt in den Kinderschuhen und an einen weiträumigen Einsatz ist noch längst nicht zu denken.

Wie wird die Blockchain denn künftig die Finanzwelt verändern?

Sandner: Derzeit funktionieren Kryptowährungen wie Ethereum auf der Blockchain, bald können Sie dort aber auch Euros abbilden. Im nächsten Schritt werden Asset Manager dann Aktien oder andere Kapitalanlagen auf die Blockchain bringen. Wenn sie etwa in zwei Jahren weite Teile des Aktienuniversums in einem Blockchain-System haben, plus traditionelle Währungen, plus Kryptowährungen, dann gibt es die perfekte Basis. Ein ETF beispielsweise lässt dann sich mit wenigen Zeilen Code programmieren. Viele Kunden können sich dann Fondsgesellschaften, die dann noch klassisches Geschäft betreiben, komplett sparen – und die ganzen Finanz-Intermediäre gleich mit. Banken werden Geld wie auch Aktien in einem Wallet unterbringen, und nach vereinbarten Regeln wie einer ETF-Funktionalität daraus weiter investieren. Ein Fondsmanager, der Stock Picking betreibt, wird seine Daseinsberechtigung selbstverständlich behalten. Aber mit indexnahen Anlagen und Quant-Strategien ist bald ebenso Schluss wie mit Finanzvertrieben und Verwahrstellen.

Damit prognostizieren Sie dramatische Umbrüche. Was wird noch auf uns zukommen?

Sandner: Beispielsweise neue Anlageklassen. Statt in mehrere Immobilien per Fonds werden Menschen in einzelne Objekte investieren können, gestückelt bis auf einen Cent. Aber auch komplett neue Asset-Klassen wie etwa verbriefte Maschinen, Autos und LKWs werden auf den Markt kommen. Die Struktur wird ähnlich den früheren geschlossenen Fonds sein, aber deutlich effizienter und damit kleinteiliger sowie fungibel. Da die Track Records der Anlagen transparent einsehbar sind, wird jeder Mensch selbst Regeln für ein automatisches Handelssystem definieren können. Das Ganze funktioniert dann auch ohne Transaktionshemmnisse aus, sogenannte Friktionen, da Anleger klassenübergreifend investieren können. Nicht zuletzt senkt die Blockchain-Technologie mit diesen Vorteilen und ihrer Effizienz auch die Gebühren. Es mag etwas dauern, vielleicht noch zehn Jahre, aber dann kommt die große Welle, die die ganze Branche verändern wird.

Das Gespräch führte Marc Radke.

Professor Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management, das im Februar 2017 initiiert wurde. Zu seinen Themengebieten gehören Blockchain, Krypto-Assets, Initial Coin Offerings (ICOs), Digitalisierung und Entrepreneurship. Das Center berät Unternehmen hinsichtlich ihrer Blockchain-Aktivitäten, u.a. auch den ersten Krypto-Fonds Europas oder Startups in Consensys’ Token Foundry Programm. Sandner ist im Fintech-Rat des Bundesministerium der Finanzen, im Blockchain Observatory der Europäischen Union und zudem Mitgründer des Blockchain Bundesverband e.V. und der Multichain Asset Managers Association.


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