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Aktualisiert am 22.06.2023 - 10:53 Uhrin Senioren & RentnerLesedauer: 10 Minuten

Bafin und Verbraucherschützer warnen vor Fallstricken Was Eigentümer über den Immobilien-Teilverkauf wissen sollten

Großvater mit Enkel
Großvater mit Enkel: Für das Konzept des Immobilien-Teilverkaufs wird viel geworben – ein Argument: Senioren könnten das Geld als vorgezogenes Erbe nutzen, um ihre Familie zu unterstützen. | Foto: Bild: IMAGO / Westend61

Viele Menschen setzen bei der Altersvorsorge vor allem aufs Eigenheim. Wer im Alter dringend Geld braucht oder sich mehr finanziellen Spielraum wünscht, muss womöglich Haus oder Wohnung verkaufen. Anbieter wie Deutsche Teilkauf, Engel & Völkers, Heimkapital, Volksbank Teilverkauf und Wertfaktor bieten in solchen Fällen eine scheinbar einfache Lösung an: den Immobilien-Teilverkauf. Seit einiger Zeit wird das relativ neue Modell stark beworben – Zielgruppe sind Menschen über 50.

Das Versprechen: Wer sich auf einen Teilverkauf einlässt, erlangt finanzielle Freiheit, ohne das Eigenheim komplett verkaufen und umziehen zu müssen. Anbieter werben zudem mit großer Flexibilität. Haus oder Wohnung könnten komplett verkauft, zurückgekauft oder vererbt werden. Auf den Internetseiten der Anbieter berichten Senioren, wie sie dank des Teilverkaufs monatelang verreisen oder ihre Kinder und Enkel unterstützen können.

Wie funktioniert ein Immobilien-Teilverkauf?

Was verbirgt sich genau hinter dem Modell des Immobilien-Teilverkaufs? Hauseigentümer verkaufen einen Teil ihrer Immobilie – die Obergrenze liegt meist bei 50 Prozent – für einen zuvor festgelegten Kaufpreis. Ausgezahlt wird der Betrag meist sofort in einer Summe. Wie hoch der Kaufpreis ausfällt, richtet sich nach dem Verkehrswert der Immobilie, der in der Regel von einem Sachverständigen ermittelt wird.

 

Mit dem Verkäufer wird ein Nießbrauchrecht vereinbart, das bedeutet, die Teilverkäufer dürfen die gesamte Immobilie weiternutzen. Dafür bezahlen sie ein monatliches Nutzungsentgelt an den Anbieter. Der wirbt damit, lediglich stiller Teilhaber zu sein. Die Verkäufer hätten weiterhin die volle Kontrolle und könnten frei über Umbauten und Renovierungen entscheiden.

Diese Fallstricke lauern beim Teilverkauf

Das Konzept, das auf den ersten Blick ganz einfach und verlockend klingt, hat jedoch Tücken, sagen Finanzaufseher und Verbraucherschützer. „Ein Teilverkauf ist spekulativ und mit erheblichen Risiken verbunden“, heißt es von der Bafin, die jüngst auch einen Podcast zum Thema veröffentlicht hat.

Verkäufer müssen hohes Nutzungsentgelt zahlen

Ein Grund sei das hohe monatlich anfallende Nutzungsentgelt. Recherchen des Portals Finanztip zufolge liegt dieser Betrag derzeit zwischen 5 und knapp 7 Prozent des Wertes des verkauften Immobilienteils pro Jahr. Bei vielen Anbietern seien die Gebühren aufgrund der Zinserhöhungen der EZB in den vergangenen Monaten gestiegen.

Bei einem Immobilienwert von 400.000 Euro und einem Teilverkauf von 37 Prozent, was einer Auszahlung von 150.000 Euro entspricht, liegt das monatliche Nutzungsentgelt bei mindestens 624 Euro, wie sich auf der Website von Heimkapital über einen Rechner ermitteln lässt. Im Jahr kämen damit im günstigsten Fall knapp 7.500 Euro zusammen. Wer die Hälfte seiner Immobilie verkaufen will, liegt bei einem Monatsbetrag von mindestens 832 Euro, also knapp 10.000 Euro im Jahr.

In der Regel wird das Nutzungsentgelt für eine gewisse Zeit festgeschrieben und anschließend neu vereinbart. Laut Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gibt es zudem variable Modelle, bei denen der monatliche Beitrag an die Inflation gekoppelt ist. Rechnet man die Kosten hoch, zeige sich, wie lukrativ das Modell für die Anbieter sei, schreibt der VZBV auf seiner Website. Läuft der Vertrag über 20 Jahre, hätte Heimkapital in den oben genannten Beispielen den Kaufpreis über die monatlichen Beiträge bereits zurückerhalten – zusätzlich gehört dem Unternehmen ein Drittel oder sogar die Hälfte der Immobilie.

Anbieter beteiligen sich nicht an laufenden Kosten

Neben dem Nutzungsentgelt müssen Eigentümer berücksichtigen, dass sich die Käufer in der Regel nicht an weiteren Kosten, etwa für Instandhaltung und Grundsteuer, beteiligt. „Die laufenden Kosten der Immobilie tragen Sie oft voll – obwohl es neben Ihnen einen Miteigentümer gibt“, schreibt dazu die Bafin. Stehen teure Sanierungen an, sollten Eigentümer das unbedingt in ihre Kalkulation einbeziehen.

 

Das gilt umso mehr, da das EU-Parlament kürzlich für die Sanierungspflicht alter Gebäude gestimmt hat. Die genauen Vorgaben stehen noch nicht fest. In jedem Fall ist aber damit zu rechnen, dass der Druck auf Haus- und Wohnungsbesitzer, ihre Immobilie energieeffizienter zu machen, steigen wird. Zudem dürfte die Energieeffizienz bei der Wertentwicklung eines Hauses oder einer Wohnung künftig eine größere Rolle spielen. Zwar geben viele Anbieter mittlerweile an, sich an Sanierungskosten zu beteiligen. Allerdings steigen damit in der Regel auch die monatlichen Kosten für den Kunden, zeigt der Blick in die Details. Eigentümer müssen daher genau hinschauen – und nachrechnen.

Zusätzliche Gebühren bei Rückkauf oder Gesamtverkauf

Ein Argument, mit dem für den Immobilien-Teilverkauf geworben wird, ist die Flexibilität: Verkäufer können ihren Anteil an der Immobilie zurückkaufen oder die gesamte Immobilie veräußern. Auch dabei fallen aber meist Gebühren an. Beim Verkauf erheben Anbieter oft eine Gebühr, unter die etwa Maklerkosten fallen. Den Verbraucherzentralen zufolge sind das meist zwischen 3 und 6 Prozent des Verkaufspreises. Beim Rückkauf müssen die Eigentümer häufig auch die Kaufnebenkosten tragen, die in der Regel zwischen 9 und 12 Prozent des Kaufpreises betragen. Darunter fallen etwa Notarkosten.

Erst dann zeige sich zudem, ob sich der Teilverkauf für die Verkäufer gelohnt habe, moniert die Bafin – denn das hänge wesentlich von der Wertentwicklung der Immobilie ab. Jahrzehntelang kletterten die Immobilienpreise in Deutschland immer weiter nach oben. Nach der Zinswende stagnierten die Kaufpreise jüngst oder gingen bereits zurück. Weitere Preiskorrekturen seien in dem derzeit schwierigen immobilienwirtschaftlichen Umfeld durchaus möglich, heißt es von der Bafin. Wie groß das Verlustrisiko beim Teilverkauf – insbesondere bei sinken Immobilienpreisen ist – hat jüngst der Immobilienberater Leutner-Consulting in einer Studie untersucht. Eigentümern drohen demnach hohe Einbußen.

Auf der nächsten Seite: Was sich hinter Mindesterlös-Klauseln verbirgt und welche Alternativen es zum Immobilien-Teilverkauf gibt.

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Vorsicht bei Mindesterlös-Klauseln

Teilverkauf-Anbieter sichern sich oft gegen Wertverluste ab – sie lassen sich dann vertraglich einen Mindesterlös zusichern. Werden Haus oder Wohnung komplett verkauft, erhält das Unternehmen dann mindestens das investierte Geld zurück plus einen im Vertrag festgeschrieben Zuschlag. Für den Eigentümer bleibt dann vom Verkaufspreis unter Umständen nur wenig übrig. Umgekehrt profitieren Eigentümer beim Rückkauf in solchen Fällen nicht von den gesunkenen Preisen: Sie müssen dem Anbieter dann den vereinbarten Mindestpreis bezahlen, auch wenn dieser nicht (mehr) dem aktuellen Marktwert entspricht.

Mindesterlös-Klauseln seien nicht zu unterschätzen, warnt die Bafin. Damit solche Klauseln nicht mehr greifen, müsse der Immobilienwert erheblich steigen. In einem solchen Szenario müssten zudem Eigentümer, die den verkauften Anteil zurückkaufen wollen, mehr bezahlen, als sie ursprünglich für den Anteil bekommen haben – zusätzlich zu dem über Jahre gezahlten Nutzungsentgelt. Die Möglichkeit, die Immobilie irgendwann zurückzukaufen, möge vielen Menschen ein gutes Gefühl geben. Finanziell lohne es sich aber fast nie, meinen die Experten der Bafin. „Der Preis, den Sie für den Rückkauf zahlen müssten, übersteigt den Teilkaufpreis, den Sie ursprünglich vom Unternehmen erhalten haben, unter Umständen ganz erheblich“, heißt es.

 

In einigen Fällen droht dennoch der Auszug

Es sei zudem möglich, dass die Teilverkäufer trotz des vereinbarten Nießbrauchrechts ausziehen müssten, warnt die Bafin, etwa wenn das Nutzungsentgelt nicht mehr gezahlt werden könne. Das Gleiche könne bei Insolvenz des Anbieters passieren. Könne der Eigentümer die Immobilie nicht zurückkaufen, drohe eine Zwangsversteigerung. Das gelte insbesondere, wenn sich das Teilkauf-Unternehmen im Grundbuch eine bessere Position sichere als der Eigentümer mit seinem Nutzungsrecht.

Fazit der Bafin: Teilverkauf ist selten die beste Lösung

„Ein Immobilien-Teilverkauf ist für Haus- oder Wohnungseigentümer selten die beste Lösung“, sagt Thorsten Pötzsch, als Exekutivdirektor der Bafin für die Bereiche Wertpapieraufsicht und Asset-Management zuständig. Ein Teilverkauf sei riskant und könne zudem teuer werden. „Aus Verbraucherschutzsicht kann ich nur davor warnen, den allgegenwärtigen Werbeversprechen für Immobilen-Teilverkäufe blind zu vertrauen.“

Da der Immobilien-Teilverkauf ein noch recht neues Modell ist – die ersten Anbieter kamen 2018 auf den Markt – fehlen zudem langfristige Erfahrungen. Die positiven Stimmen, die im Internet zu finden sind, beziehen sich meist auf die freundliche Beratung und den unkomplizierten Vertragsabschluss. Wer erst kürzlich einen solchen Vertrag abgeschlossen hat, freut sich womöglich zunächst über die neugewonnene finanzielle Freiheit und kann noch nicht absehen, welche Vor- oder auch Nachteile das Modell langfristig mit sich bringt.

Kritik am Immobilien-Teilverkauf: Das sagen die Anbieter

Die Anbieter widersprechen der Kritik von Verbraucherschützern und Bafin. „Wir haben schon 2020 Defizite am Markt in Sachen Transparenz, Sicherheit und Verbraucherfreundlichkeit entdeckt und unser Produkt entsprechend gestaltet“, so Sabine Nass, Chefin von Deutsche Teilkauf in einem Statement. Könne ein Kunde das Nutzungsentgelt nicht mehr zahlen, übernehme die eigene Stiftung zunächst die Beiträge, während eine Lösung gesucht werde. „Die Hürden für den Verkauf des Hauses liegen hoch“, so Nass. Zudem würde das Unternehmen beim Rückkauf einen Teil der Nebenkosten übernehmen, beim Gesamtverkauf falle keine Gebühr an.

Die Anbieter Heimkapital, Engel & Völkers Liquid Home, Volksbank Teilverkauf und Wertfaktor beziehen in einer gemeinsamen Erklärung Stellung. In der Veröffentlichung der Bafin könne der Eindruck entstehen, „dass Teilkauf-Anbieter renditeorientiert zum Nachteil der Kund:innen handeln“. Dies sei nicht der Fall. Eine Wertsicherungsklausel sei nötig, verteidigen sich die Anbieter, denn die Unternehmen hätten keinen Einfluss darauf, ob der Zeitpunkt, zu dem der Kunde verkaufen möchte, auch „aus Immobilienmarkt-Gesichtspunkten“ der richtige sei. Zu der Kritik am hohen Nutzungsentgelt äußern sich die Firmen nicht, nur so viel: Die Planungssicherheit der Kunden stehe an erster Stelle, daher werde der Monatsbeitrag für zehn Jahre oder sogar lebenslang festgeschrieben.

 

Eine freiwillige Selbstverpflichtung, die die vier Anbieter unterzeichnet haben, soll für mehr Transparenz sorgen und Vertrauen schaffen. Darin verpflichten sich die Unternehmen etwa, für eine faire Wertermittlung der Immobilie zu sorgen sowie alle Kosten „transparent, vollständig und nachvollziehbar“ aufzulisten, stellen aber auch klar, dass sie sich nicht an laufenden Instandhaltungskosten beteiligen. Eine Beteiligung an wertsteigernden Maßnahmen sei nach Absprache aber möglich. In Fällen, in denen Kunden ihr Nutzungsentgelt nicht mehr zahlen können, solle „eine sozialverträgliche Lösung“ gesucht werden, etwa Stundungen, Hilfe durch Stiftungen oder der Wechsel in ein alternatives Verrentungsmodell.

Tipps: Wie findet man das richtige Angebot?

Wer einen Teilverkauf erwägt, sollte sich die Konditionen unbedingt genau anschauen, raten Verbraucherschützer. Die Bafin hat unter anderem eine Checkliste veröffentlicht, an der sich Verbraucher bei der Wahl des Anbieters orientieren können. Wichtig sei, durchzurechnen, welche Kosten bei Rückkauf des Anteils oder Gesamtverkauf der Immobilie entstehen würden – und dabei verschiedene Szenarien, etwa steigende und sinkende Kaufpreise, zu berücksichtigen.

Zudem rät die Bafin, unterschiedliche Angebote einzuholen und zu vergleichen. Bei der Höhe des Nutzungsentgelts sowie weiterer Gebühren gebe es teils erhebliche Unterschiede. Zudem sollten sich Eigentümer sachkundige Beratung einholen, etwa bei den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen. Es sei darüber hinaus sinnvoll, Vertragsentwürfe von einem Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Wichtig sei, sich nicht drängen zu lassen und vor Vertragsabschluss alle offenen Fragen zu klären.

Welche Alternativen gibt es zum Immobilien-Teilverkauf?

Ist ein Immobilien-Teilverkauf das richtige für mich? Wer sich diese Frage stellt, sollte immer auch die Alternativen prüfen, so die Experten der Bafin. Dazu raten auch die Verbraucherzentralen. So könne ein Kredit günstiger sein als ein Teilverkauf. Dass Banken grundsätzlich keine Darlehen an ältere Menschen vergeben, sei nicht richtig. Rentner sollten sich bei verschiedenen Anbietern umhören. Einige Kreditinstitute bieten spezielle Hypothekendarlehen für ältere Verbraucher an. Ein klassischer Baukredit eignet sich etwa, wenn das Geld für eine größere Sanierung des Hauses oder der Wohnung gedacht ist.

Eine weitere Möglichkeit, das eigene Haus im Alter zu Geld zu machen, ist die Leibrente, bei der die Eigentümer ihre Immobilie verkaufen und dafür eine wiederkehrende Zahlung bis ans Lebensende erhalten. Die Verkäufer erhalten in der Regel ein lebenslanges Wohnrecht, ohne dass dafür Miete anfällt. Auch dabei gilt jedoch, dass Angebote genau geprüft werden sollten. Verbraucherzentralen und Bafin raten, immer auch den Verkauf der Immobilie in die Überlegungen einzubeziehen. Das könne – zumindest finanziell gesehen – die bessere Alternative sein.

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